Kolumne:Das zu weite Land

Lesezeit: 1 min

Fährt man durch die USA, trifft man auf Wohnmobile, so groß wie Turnhallen, und Landschaften, so leer wie das Parteiprogramm von Oskar Lafontaine. Ist das Freiheit?

Von Juan Moreno

Seit ein paar Tagen fahre ich mit meinem alten Freund Thorsten durch Nevada, Utah und New Mexiko. Ehrlich gesagt, überfordert mich Amerika, ein zu großes, zu weites Land.

Badwater im Death Valley - sonst nichts. (Foto: Foto: Visit California)

Wüste, Steppe, Tundra, Taiga, so viel Nichts, leeres, dumpfes, sinnfreies Nichts, XXL-Nichts, Lafontaines Wahlprogramm als Landschaft. Die ersten Tage waren noch ganz reizvoll, aber jetzt finde ich es ehrlich gesagt ziemlich beknackt.

Ich sitze in einem blauen Chevrolet und fahre den ganzen Tag gerade aus. Das ist mein Urlaub. Manchmal kommt ein Hügel, oder der Wind weht etwas ausgetrockeneten Beifuß über die Landstraße, oder Thorsten überholt eines dieser amerikanischen Wohnmobile von der Größe einer Turnhalle.

Abends sitzen wir dann in einem Motel, und Thorsten und ich reden lange über den Hügel, den Beifuß oder die Wohnmobile von der Größe deutscher Turnhallen. Ansonsten passiert nicht viel. Mein Amerikaurlaub ist so eine Art Auto-Bild-Langstreckentest.

Stur den Highway entlang

Ich glaube aber, dass die Amerikaurlaube aller Menschen so sind. Ich habe bisher nur wenige Leuten auf der Reise getroffen, aber die wenigen, mit denn ich reden konnte, erzählen immer das Gleiche.

Sie sitzen den ganzen Tag in einem Mietwagen, fahren stur einen Highway entlang, und abends essen sie ein Porterhaus-Steak, groß wie eine deutsche Turnhalle.

Die Deutschen unter den Touristen regen sich noch darüber auf, dass im American History Channel immer nur Nazidokumentationen laufen. Die Franzosen vermissen richtiges Essen. Aber alle finden ihren Amerikaurlaub großartig.

Irgendwas mache ich falsch, denn auch Thorsten scheint es zu gefallen. Es wirke beruhigend, sagt er. "Ich bin entspannt, frei wie ein Vogel, die Weite, verstehst du? Ich denke nichts mehr, wie von innen weiß gestrichen."

Keine Gehirninnenfarbe

Klingt nicht schlecht, ich möchte auch von innen gestrichen werden. Du musst dich entspannen, sage ich zu mir. Sei locker, sei verflucht noch mal nicht mitteleuropäisch, ginge das? Ich gebe mir Mühe, aber es funktioniert nicht, ich produziere kein bisschen Gehirninnenfarbe, nur antiamerikanische Gedanken.

Thorsten tippt mich an. Was ist, fragte ich. Lass uns nach Wyoming fahren. Was ist in Wyoming? Leere, Weite, Nichts, der am dünnsten besiedelte Teil der USA. Freiheit, sagt er.

Freiheit, sage ich, okay. Ich nicke und fahre immer nur gerade aus.

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