Kanaren:Türme zum Träumen

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Auf der Kanareninsel La Palma hat ein Hamburger in diesem Frühjahr ein ungewöhnliches Hotel eröffnet - in einem über 150 Jahre alten Leuchtturm. Weitere Unterkünfte mit Ausblick sollen folgen.

Von Evelyn Pschak

Der Faro von Punta Cumplida ist 34 Meter hoch. Die Quader, aus denen er erbaut wurde, sind aus Vulkangestein herausgeschnitten. (Foto: Martin Haag)

Seit 1867 ist der Leuchtturm von Punta Cumplida an der Nordostküste der Kanareninsel La Palma in Betrieb. Er ist damit einer der ältesten Spaniens. "Und auf jeden Fall ist es der einzige mit einem Infinity Pool", sagt Tim Wittenbecher. Der Unternehmer, der schon Erfahrung hat mit ungewöhnlichen Hotelideen, krempelt seine Hosen hoch, steigt ein paar Stufen ins Becken hinab und steht mitten im allumfassenden Blau: hinter ihm der Atlantik, unter ihm der Salzwasserpool und über ihm der wolkenlose kanarische Himmel.

Seit diesem Frühjahr vermietet der 51-jährige gebürtige Hamburger drei Suiten im Sockelgebäude des Faro Punta Cumplida. Einst lebten hier die Familien der Leuchtturmwärter, inzwischen schickt der Turm automatisiert LED-Blitze in die dunklen Nächte der Insel. Noch immer sind zwei Räume im Leuchtturm für die Technik reserviert, und wöchentlich kommt ein Wärter vorbei, um in die Logbücher zu schreiben, wie man das hier nun eben schon seit 152 Jahren macht.

Der geradlinige Sockelbau ist heute allerdings hochwertig restauriert und in schnörkellos-zeitgenössischem Design eingerichtet. Die symmetrischen Gebäudeflügel bergen im Innern einen zentralen Patio, unterm offenen Dach steht ein langer Tisch aus dem Holz der Kanarenkiefer. Auf der Meerseite des Gebäudes schraubt sich mittig der Turm in die Höhe. Seine 148 Stufen führen zum kleinen Ausguck in luftiger Höhe und zu sechs Klappsitzen. Von dort fällt der Blick auf die Gischt am scharfzackigen Vulkanbasalt der Felsenküste und aufs Meer, in dem bei guter Sicht der Teide wie ein riesiges Makronenplätzchen den Seeweg nach Teneriffa markiert. Oder man schaut landeinwärts, auf terrassierte Hänge voller Bananenplantagen. Oder eben direkt nach unten, auf die große Dachterrasse und den lavaschwarzen Boden rund um den Leuchtturm, auf dem kanarische Wolfsmilchbüsche gedeihen, Dickblattgewächse und Kakteen, aus deren Kaktusfeigen man auf der Insel Marmelade zubereitet, die auch zum Frühstück im Leuchtturm serviert wird.

Er liegt spektakulär: Unten tost der Atlantik. (Foto: Faro Punta Cumplida)

Das Abendessen kann man sich aus einem der Restaurants des Ortes Barlovento, auf dessen Gemeindegrund der Leuchtturm liegt, liefern lassen oder eben selbst zubereiten, jede Suite verfügt über einen Küchenblock. Auf Wunsch kommt sogar der Tabaquero Elias Fernandez Luis vorbei, um nach dem Essen mit der Hand ebenmäßige palmerische Puros zu drehen und die Geschichte dieser berühmten Zigarren von La Palma zu erzählen, die schon Winston Churchill bevorzugt haben soll.

Wer also überhaupt nicht fort möchte vom Leuchtturm, muss das auch nicht. Aber natürlich wäre es schade, nicht den kurzen Spaziergang zum Hafen von Talavera zu unternehmen, der aussieht wie ein Piratennest. Ausgeblichene Fischerhütten klammern sich in abenteuerlicher Statik an schwarzen Fels. Krebse sonnen sich an der Badestelle, und im Schrein am Hafeneingang hat sich zur Madonna eine Seemannsfigur mit Ringelpulli, Vollbart und Pfeife gesellt. Ohne Ausflug würde man auch die nahen Felsenbecken des Strandbads Charco Azul verpassen und ihr türkises, künstlich abgeriegeltes Meerwasser.

Dass Tim Wittenbecher nach La Palma gefunden hat, habe er Ana Pastor zu verdanken, erzählt der Wirtschaftsingenieur. Die Politikerin der spanischen Volkspartei Partido Popular hatte 2014 als Ministerin für Bau und Verkehr ein neues Programm in den spanischen Nachrichten vorgestellt: "Faros de España" sollte die touristische Nutzung von Leuchttürmen ermöglichen und gleichzeitig maritimes Erbe erhalten. "Daraufhin haben mich spanische Freunde kontaktiert, die von unseren anderen Türmen wussten." Wittenbecher hat auch den Lotsenturm auf Usedom, einen Leuchtturm im schleswig-holsteinischen Dagebüll sowie einen Hafenkran in Hamburg für Übernachtungsgäste umgebaut. Seinem Termingesuch bei Pastor sei erstaunlich schnell eine Einladung ins Ministerium nach Madrid gefolgt, erzählt der Hotelier. Und man wurde handelseinig.

Zum Meer hin gibt es einen Salzwasserpool. (Foto: Martin Haag)

Derzeit umfasst das Portfolio der GmbH Floatel, die Wittenbecher mit dem Industriedesigner Marc Nagel und einer befreundeten Investorengruppe für weitere Umnutzungen gründete, elf weitere Leuchttürme in Spanien und Italien. Cumplida wurde als erster in Spanien fertiggestellt. Als nächstes, wohl in rund einem Jahr, wird vermutlich der Faro Imperatore auf Ischia eröffnen. So genau wisse man das nie, sagt Wittenbecher. Die Umbauten wie auch der administrative Aufwand können zeitraubend sein. "2016 war Spanien fast ein Jahr lang ohne reguläre Regierung, da übernahm keiner die Verantwortung für den letzten Stempel." Auch andere Unwägbarkeiten hat er schon gemeistert. "Mal bröckelt der Weg zum Turm. Oder es gibt zu wenig Strom und die Pfähle sind zu dünn, um eine weitere Leitung zu tragen, wie es zunächst beim Faro Cumplida der Fall war." Meist sind die Arbeiten deshalb kostenintensiv: Rund 800 000 Euro investierten die Floatel-Beteiligten in den Umbau des Cumplida. Die Hafenbehörde hat der GmbH den Turm für 45 Jahre zur Nutzung überlassen.

Auf dem Ölbild von Maria Concepción Rodriguez Rodriguez, genannt Chicha, ist der Leuchtturm noch nicht restauriert. Die 54-Jährige aus Barlovento steht neben ihrem Werk, das sie bei einer gemeinsamen Ausstellung mit befreundeten Hobbymalern präsentiert. Ihr Bild ist bereits sechs Jahre alt und zeigt noch den von Stürmen beschädigten Patio, den ein Wellblechdach notdürftig überdeckt. Nachts scheine ihr immer das Licht des Leuchtturms ins Haus, sagt die Spanierin, sie fühlt sich verbunden mit dem Gebäude. Jetzt steht sie neben Wittenbecher und sagt, sie freue sich, dass der Turm so schmuck geworden sei. Wie auch ihre Freundinnen nicht müde werden, den Unternehmer mit Glückwünschen zu überschütten: "Mucho éxito!" "Viel Erfolg!" Chicha trägt noch mehr Häppchen und Rotwein herbei. Das sei überhaupt das Schönste für ihn am Leuchtturmprojekt, freut sich Wittenbecher über den wohlwollenden Empfang: "Man wird ein Teil des Lebens der Gemeinde."

Faro Punta Cumplida: Die Atlantic Suite, die kleinste der drei Wohneinheiten, kostet ab 290 Euro pro Nacht. Den ganzen Turm kann man für 950 Euro mieten , www.floatel.es. Weitere Informationen zu den Türmen von Bad Saarow, Usedom oder Dagebüll: www.lotsenturm-usedom.de

© SZ vom 24.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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