Italien:Zugbegleiter Zecke

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Bella Parasitalia: In italienischen Zügen reisen zunehmend Wanzen, Zecken und Flöhe mit. Die Fahrgäste sind empört.

Stefan Ulrich

Wer schon im Liegewagen von München nach Rom gereist ist, den mag es vielleicht nicht wundern: Italiens Eisenbahn muss Hunderte Waggons aufs Abstellgleis schicken, um ihre Reisenden vor Zecken, Wanzen und Flöhen zu schützen.

"Um weiteren Unannehmlichkeiten vorzubeugen und die sanitären Bedingungen in den Zügen zu verbessern, hat sich "Trenitalia" entschlossen, auf den Mittel- und Langstrecken 508 Wagen aus dem Verkehr zu ziehen", heißt es in einer Mitteilung der Bahngesellschaft.

Anlass war eine Attacken-Serie diverser Krabbeltiere in den vergangenen Wochen.

Italiens Bahn kommt mit Entschuldigungen kaum noch nach, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Körperverletzung und ein Abgeordneter des italienischen Parlaments konstatiert: "In unseren Zügen wiederholen sich Vorfälle, die für ein zivilisiertes Land unakzeptabel sind."

Muff der Abteile

Tatsächlich schlägt den Reisenden in italienischen Zügen weniger der Geruch der großen weiten Welt entgegen als der Muff überalterter Abteile. Neu scheint indes zu sein, dass sich in Polstern und Kissen eine quicklebendige Subkultur tummelt.

Die Insekteninvasion begann Anfang September: Eine Gruppe Urlauber, die von Kalabrien nach Turin zurückfuhr, bekam im Intercity 768 Besuch. Ihr Waggon war von Parasiten bevölkert, auf den Sitzen saßen Zecken. Einige Reisende mussten in Rom aussteigen und mit dem Bus weiterfahren.

Bald darauf wurde eine Frau in einem IC von einer Zecke gebissen. Eine andere Reisende entdeckte im Nachtzug nach Mailand gleich fünf Zecken unter ihrem Kopfkissen. Der Zugführer entsorgte das Kissen, die Frau warf vor Ekel ihre Kleidung aus dem Fenster. Kaum besser erging es zwei Passagieren, die in Lamezia Terme den Arzt aufsuchten nachdem in ihrem Abteil Flöhe über sie hergefallen waren.

Wenig beruhigend

Die Erklärungen der Bahnexperten sind wenig beruhigend. Vermutet wird, dass auf Abstell-Stationen Hunde und Ratten in die Waggons eindringen und das Ungeziefer mitbringen.

Auch Clochards sollen ihren Anteil an der Insekten-Plage haben. Seit Anfang September versucht Trenitalia nun, mit einem Sonder-Reinigungsprogramm und besserer Überwachung der Abstellhallen das Problem zu lösen. Seitdem seien 2500 Waggons entseucht worden, versicherte die Gesellschaft am Wochenende.

Unter den gereinigten Karossen war auch ein Wagen des Eurocity, der in der Nacht zum Freitag von Nizza nach Neapel fuhr. Nach Mitternacht stiegen drei schimpfende Passagiere in Genua aus. Sie hatten bemerkt, wie Dutzende Insekten über ihre Kleider krabbelten.

Reisende anderer Waggons erzählten der Bahnpolizei, auch bei ihnen seien Tierchen über Sitze und Korridore gelaufen. Die Polizisten ließ die Insekten vom naturwissenschaftlichen Museum in Genua identifizieren: Diesmal waren es Wanzen.

© SZ vom 10.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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