Illustrationen:Die Gezeichnete

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Paris steht für Freiheit und Unbeugsamkeit. Das Buch zeigt die Stadt von ihrer heiteren Seite, zu der sie hoffentlich bald zurückkehrt.

Von Stefan Fischer

Im Stadtwappen von Paris steht seit Mitte des 19. Jahrhunderts: "Fluctuat nec mergitur". Sie schwankt, geht aber nicht unter. Bewähren musste sich dieser Wahlspruch mit besonderer Vehemenz in Folge des islamistischen Terrors, der die Stadt jüngst in ihren Grundfesten erschüttert hat. Paris geht nicht unter, das haben die Bewohner und ihre internationalen Gäste vier Tage nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo bewiesen bei einer Kundgebung gegen den Terror, die zur größten Demonstration in der Geschichte der Stadt wurde - eine Demonstration von Unbeugsamkeit, Freiheitsliebe, Solidarität. Diese Solidarität, gepaart mit einer großen Neugier, drückt sich auch in dem gigantischen Interesse an der ersten Ausgabe der Satirezeitung nach den Morden aus.

"Everyone loves Paris", in guten wie in schlechten Tagen. Leslie Jonath hat unter diesem Titel ein kleines Buch über die Metropole veröffentlicht mit Illustrationen von einer Vielzahl von Grafikern, Künstlern, Malern. Unter ihnen sind Clare Caulfield, Emma Block, Matte Stephens und Dominique Corbasson. Sie alle zeigen die Stadt von einer Heiterkeit, zu der sie hoffentlich bald zurückfinden wird.

Die Herausgeberin Leslie Jonath, die in San Francisco lebt, ist in Paris aufgewachsen, die Stadt ist ihre Jugendliebe. Sie ist ihr seither und immer noch "ein einziges visuelles und sinnliches Vergnügen, ein Ort des Lichts, der Farben und der Stimmungen". Als bräuchte sie einen Gewährsmann, zitiert sie Ernest Hemingway: "Wenn man das Glück hat, als junger Mann in Paris gelebt zu haben, bleibt die Stadt für immer bei einem, egal, wohin man geht, denn Paris ist ein Fest fürs Leben." Die große Anteilnahme am Schicksal der Opfer des Terrors, sie hängt vielleicht auch ein ganz kleines bisschen mit der grundsätzlichen Sympathie für die Stadt zusammen, in der sie gelebt und von der aus sie gewirkt haben.

Die Mehrzahl der Künstler, die Jonath mit ihren Werken in dem Band versammelt hat, sind keine Franzosen. Sie sind Besucher, ihre Aufenthalte sind von unterschiedlicher Dauer; und je nach Temperament freunden sie sich allmählich an mit der Atmosphäre der Stadt oder aber sie sind schockverliebt. Was die Bilder in all ihrer Unterschiedlichkeit des Stils gemeinsam haben: Immer geht es um den Charme von Paris und der Menschen, die hier leben. Eleganz und Stil spielen eine große Rolle, eine flaneurhafte Gemütlichkeit und eine grenzenlos heitere Verspieltheit, die sogar einen Regentag erträglich, ach was: liebenswert erscheinen lassen. Dass manches in seiner Süßlichkeit die Grenze zum Kitsch streift, gar überschreitet, bleibt dabei naturgemäß nicht aus.

Und so zeigt sich selbst in diesen herzlichen Umarmungen, wie standfest Paris ist. Was auch immer die Künstler mit den Bauwerken und Menschen, ihren Lebensgewohnheiten und Macken anstellen, wie sehr sie sie aus den besten Absichten heraus hin- und herbiegen, übertünchen und ins Klischee überführen: Ausstrahlung und Würde lassen sich im Fall von Paris schwerlich ramponieren. Oder anders: Egal, auf welche Weise Paris in diesen Illustrationen geschminkt wird - es steht dieser Stadt gut an.

Natürlich ist diese Liebeserklärung auch eine Verklärung. Weil vieles von der Realität in dieser Stadt ausgeblendet bleibt. Nichtsdestotrotz ist jedes der Bilder in "Everyone loves Paris" auf seine ganz eigene Art: wahrhaftig.

Leslie Jonath: Everyone loves Paris. Verlag teNeues, Kempen 2014. 128 Seiten, 19,90 Euro.

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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