Hotelkomfort:Schlafen wie Mao

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Wer in den kleinen Hotels von Peking und Schanghai nächtigt, lernt das echte China kennen - und riechen.

Am frühen Morgen hat jede große Stadt ihren eigenen Klang. Peking, zumindest die Altstadt, erwacht noch immer zum schrillen Klang Dutzender Fahrradklingeln, unterbrochen hier und da vom langgezogenen Gesang der Altglassammler, die auf ihren Dreirädern mit Ladefläche durch den langsam anschwellenden Menschenstrom navigieren: "Mai jiu piiiing, mai jiu piiiing!" ("Kaufe alte Flaschen, alte Flaaaschen!").

Wer nach Peking reist und zu dieser unverwechselbaren Symphonie aufwachen will, der sollte die großen internationalen Hotels meiden, durch deren Fenster - wenn überhaupt - nur der Lärm mehrspuriger Stadtautobahnen dringt. Zum Glück gibt es mittlerweile eine kleine Auswahl von Boutique-Hotels in den Hutongs, den engen Gassen der Pekinger Altstadt.

Sie sind nicht ganz leicht zu finden, aber wer sich mit einer Wegbeschreibung aus dem Internet, der Telefonnummer und einem Handy ausrüstet und ein wenig Geduld mitnimmt, wird am Ende mit dem Gefühl belohnt, wirklich in Peking gewohnt zu haben.

Allerdings sollte man sich beeilen. Denn die hutongs und ihre traditionellen Hofhäuser, "Siheyuan" genannt, werden derzeit in atemberaubendem Tempo abgerissen. Sie müssen im Vorfeld der Pekinger Sommerspiele im Jahr 2008 neuen Einkaufszentren, Bürohochhäusern oder Fünf-Sterne-Hotels weichen.

Hier und da aber scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, sind die Radfahrer und Flaschensammler noch unterwegs. Besonders schön gelegen ist das "Lu-Song-Yuan"-Hotel in der Banchang Hutong, bei der Zentralen Theaterhochschule.

Nichts für empfindliche Nasen

Die ehemalige Residenz eines Generals aus der Qing-Dynastie ist zu einem kleinen Hotel mit 58 Zimmern umgebaut worden, die um ruhige Innenhöfe gruppiert sind. Die Zimmer sind sehr einfach möbliert und muffeln ein wenig, aber das Hotel ist wegen seiner hervorragenden Lage dennoch sehr beliebt, unter anderem bei ausländischen Künstlern.

Vom "Lu-Song-Yuan" ist es nur ein kurzer Fußmarsch zu dem "Houhai" genannten See und den ihn einrahmenden Bars, Restaurants und Freiluft-Cafés. Darüber hinaus sind die Zimmer vergleichsweise günstig: 550 bis 630 chinesische Yuan (etwa 55 bis 63 Euro) für ein Standard-Doppelzimmer. Wer nicht allzu geruchsempfindlich ist, dürfte darüber das Muffeln vielleicht vergessen.

Schöner eingerichtet, mit Parkettfußböden, großen chinesischen Himmelbetten und besser riechend ist das "Haoyuan"-Hotel. Leider ist der Häuserblock gegenüber dem Haupteingang bereits abgerissen worden, und das Gelände wird gerade neu bebaut. Auch der dumpfe Klang der Abrissbirne und das Quietschen sich drehender Baukräne gehört derzeit nun mal zur unverwechselbaren Klangkulisse der chinesischen Altstadt.

Im Innenhof des traditionellen "Siheyuan" aber, einst die Residenz eines hochrangigen Mandarins, ist die Idylle noch komplett. Ein Vogel zwitschert in seinem Käfig, ein paar Goldfische schwimmen in ihrer Schale im Kreis, und von der Hektik der Millionenstadt ist nichts zu sehen oder zu hören. Die billigsten Zimmer kosten 550 Yuan (etwa 55 Euro), die schöneren, größeren 1200 Yuan (120 Euro) pro Nacht, inklusive Frühstück. Und nördlich des Hotels, östlich der "Dongdan"-Straße, steht noch ein unversehrtes Stück alter Hutongs, in dem man sich herrlich verlaufen kann.

Revolutions-Schick in der Altstadt

Noch kleiner und charmanter ist die "Red Capital Residence". Ein pfiffiger Amerikaner hat ein traditionelles Hofhaus in ein winziges Boutique-Hotel mit fünf Zimmern umgebaut, jedes nach einer berühmten chinesischen Persönlichkeit benannt und entsprechend dekoriert. In der "Mao-Suite" stehen die Lieblingsbücher des Großen Vorsitzenden auf einem Buchregal über dem Doppelbett, und die Fotos seiner vielen Ehefrauen zieren den Tisch im winzigen Wohnzimmer. Das Personal trägt Mao-Anzüge und spricht gut Englisch. Dieser Revolutions-Schick mitten in einer der ältesten Gassen Pekings ist nicht billig. 190 US-Dollar kostet ein Doppelzimmer.

Wie aus Andersons Märchen

Auch in Schanghai, das noch rasanter umgebaut wird als Peking, gibt es noch ein paar Hotels mit Charakter. Das mit Abstand schönste ist das winzige "Old House Inn" (Laoshiguang Jiudian). Es liegt in einer engen "Nong", dem Schanghaier Äquivalent zur Hutong, direkt im Schatten des Hilton Hotels. Jedes der zwölf geschmackvoll eingerichteten Zimmer ist anders dekoriert (52 bis etwa 100 Euro inklusive Frühstück).

Das Hotel ist so beliebt, dass man mindestens zwei Monate im Voraus reservieren sollte. Dasselbe gilt für die skurrile, im neogothischen Stil erbaute "Moller- Villa". Der britisch-jüdische Schiffsbaumagnat Eric Moller hatte sie in den dreißiger Jahren für seine kleine Tochter bauen lassen, die von "einem Traumhaus wie aus Andersons Märchen" geträumt hatte.

Leider marschierten die Japaner in Schanghai ein, kurz nachdem das Haus 1936 fertiggestellt war, und die Familie musste ausziehen. Die 15 pompös-kitschig dekorierten Zimmer im alten Flügel des Hotels kosten zwischen 150 und 750 Euro pro Nacht.

© SZ vom 4.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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