Hotel Lefay:Grüner Luxus

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In Pinzolo hat ein nachhaltiges Hotel eröffnet. Es will Luxus neu definieren. Aber auch wenn kein Gast Verzicht üben muss: Das Konzept ist noch erklärungsbedürftig.

Von Ingrid Brunner

Profumo di Bosco - Duft des Waldes - heißt der Welcome Drink. Er ist gemixt aus Verbene, Zitrusaromen, Apfel, gekrönt von Apfelschaum, parfümiert mit Zedernöl. Auch Gäste, die kein Italienisch verstehen, begreifen beim Trinken: Es geht um Wald und Natur. Eine passende Einstimmung auf die Natur draußen und den Geist hier drinnen, im Anfang August eröffneten Hotel Lefay Dolomiti, denn der Name des Hotels kommt aus dem Keltischen und bedeutet Fee. Es ist das zweite Haus der Unternehmerfamilie Leali, die ihr Geld erst in der Stahlindustrie, dann als Gründerin der Fluglinie Air Dolomiti verdiente und schließlich, nach deren Verkauf an Lufthansa, in der Luxushotellerie anlegte. Nicht irgendein weiteres Fünf-Sterne-Haus sollte es sein. Vielmehr entschieden sich Familienoberhaupt Alcide Leali und seine Frau, die Architektin Liliana Leali, für ein grünes, vom Gedanken der Nachhaltigkeit geleitetes Hotel - und trafen damit den Zeitgeist.

Bei seiner Eröffnung im Jahr 2008 war das Lefay in Gargnano am Gardasee noch ein Nischenprodukt und somit ein unternehmerisches Risiko. Doch wenn Geld keine Rolle spielt, kann sich aus der grünen Nische ein profitables Erfolgsmodell entwickeln. Das Lefay in Gargnano hat sich als internationale Spa-Destination etabliert, es produziert eine eigene Naturkosmetiklinie, hat in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern eigene Massagen und Schönheitsbehandlungen entwickelt und verwendet selbsterzeugtes Olivenöl. Letzteres findet Anwendung im Spa und selbstverständlich in der Küche, die sich an den Prinzipien der Mittelmeerdiät orientiert. Sechzig Auszeichnungen hat das Haus in Gargnano seit seiner Eröffnung erhalten. Vergangenes Jahr wurde es bei den European Health & Spa Awards als "Bester Spa in Europa" bestätigt und bei den World Boutique Hotel Awards als "Bestes nachhaltiges Hotel in Europa" ausgezeichnet.

Mitten im Weltnaturerbe Dolomiten, unweit vom eleganten Wintersportort Madonna di Campiglio, schickt sich die Eigentümerfamilie Leali nun an, die Erfolgsgeschichte vom grünen Luxushotel mit Nachhaltigkeitsbericht und ausgeglichener CO₂-Bilanz zu wiederholen. Mirella Prandelli blickt aus dem Fenster des Restaurants Dolomia auf das Bergpanorama und sinniert beim Lunch über Luxus. Sie isst gegrillten Fisch und sieht so blendend aus, dass man still gelobt, fortan ebenfalls vorbehaltlos der Mittelmeerdiät zu gehorchen. "Luxus ist eine Verpflichtung", sagt sie. "Ohne Nachhaltigkeit, ohne Respekt vor der Natur ist Luxus nicht mehr zeitgemäß." Prandelli ist zuständig für die Pressearbeit der Lefay-Hotels. Sie kennt jede Bauphase des neuen Hauses, zählt auf, was alles unternommen wurde, um es nachhaltig zu machen. Ein Hackschnitzelheizkraftwerk versorgt das Hotel und den imposanten, 5000 Quadratmeter großen Spa mit Warmwasser und Energie. Viele Baumaterialien stammen aus der Region, etwa das Lärchenholz an der Fassade oder Weißtanne und Kastanie für Fußböden, Möbel und Wandpaneele. Der 25 Meter lange Innenpool ist aus Tonalit, einer Granitart, die in der Region seit jeher als Baustoff dient und aus dem Steinbruch in Val Genova stammt. Fenster mit Dreifachverglasung und Wärmedämmung an den Wänden sorgen für die höchste Energieeffizienzklasse. So bleibt das Haus auch im Winter warm. Immerhin setzt man auf die kalte Jahreszeit als Hauptsaison: Ein Shuttle wird dann die Gäste nach Madonna di Campiglio mit seinen 160 Pistenkilometern bringen.

Zwei Jahre dauerten die Bauarbeiten. Der Entwurf stammt vom Architekturbüro Hugo Demetz aus Brixen. "Aber es war eine Gemeinschaftsarbeit mit Frau Leali", betont Prandelli, besonders die Innenausstattung trage die Handschrift der Chefin. "Ein Investitionsvolumen von rund 70 Millionen Euro ist ein großer Wurf in unserer Region, die von kleinen Hotels, Gasthäusern und Frühstückspensionen geprägt ist", sagt Alberta Voltolini vom Tourismusbüro in Madonna die Campiglio. Die lokalen Touristiker begrüßen das neue Haus ausdrücklich als Chance für die Region. Doch in der Bevölkerung waren zunächst die Vorbehalte groß. "Die Einheimischen hatten Angst", sagt Pressefrau Prandelli, "die Hoteliers befürchteten, dass wir ihnen die Gäste klauen." Die Bewohner der Gemeinden im Val Rendena hatten dagegen eher Bedenken, was ihnen da wohl für ein Raumschiff in den Hang gebaut werde, das da bald über der Gemeinde thronen, auf sie herabschauen würde.

Auf Informationsveranstaltungen habe man das Projekt erklärt. "Wir wollten die Einheimischen mitnehmen. Deshalb haben wir mit heimischen Firmen zusammengearbeitet", sagt Prandelli. Soziale Nachhaltigkeit sei schließlich ebenso wichtig wie die Ökobilanz. Tatsächlich stammen viele Möbel und ein großer Teil des Innenausbaus von lokalen Handwerkern. Mit der Kommune habe man vereinbart, auch Einheimische im Hotel zu beschäftigen.

Hinausschwimmen: Der Familienpool bietet Bergblicke - bei jedem Wetter. (Foto: Beniamio/Lefay Resorts)

Inzwischen hat sich die Stimmung in der Bevölkerung offenbar gedreht. Die Hoteliers sehen, dass der neue Mitbewerber zusätzliche, andere Gäste nach Pinzolo bringe. Und etliche Einwohner fanden Arbeit im Hotel oder kennen jemanden, der dort arbeitet.

"Derzeit sind knapp 40 Prozent der 140 Mitarbeiter aus der Region", sagt Front Office Manager Enrico Meneghini bei der Führung durchs Haus. Stolz präsentiert er die 350 Quadratmeter große Royal Suite. Sie kostet 2200 Euro pro Nacht. Goldene Wasserhähne bietet man keine, es ist das gleiche Designkonzept wie in den anderen Suiten, nur eben im größeren Maßstab, etwa mit einem 52-Zoll-Fernseher. Dazu gibt es Kaschmirvorhänge und Bademäntel aus Holzfaser.

Naturfarben und natürliche Materialien bestimmen auch die Ausstattung der Suiten. (Foto: Beniamio/Lefay Resorts)

Letztere fühlen sich an wie schwere Seide, es gibt sie nur in der Royal Suite. Spa-Direktorin Vania Da Tos stammt aus Venedig, nicht ganz um die Ecke, sie sagt, sie vermisse das Meer. Doch die Idee vom grünen Spa begeistert sie. "Wenn ich an das viele Wasser und die Unmengen Handtücher denke, die wir verbrauchen, dann sehe ich schon, welch eine Herausforderung das ist", sagt sie. Doch das Hotel ist wie seine ältere Schwester am Gardasee in erster Linie eine Spa-Destination - mit Sauna-Erlebniswelten, die andere Häuser nicht haben. Und exklusiven Massagen und Schönheitsbehandlungen, einer Fusion aus traditioneller chinesischer und westlicher Medizin, wie Da Tos erklärt. Etwa die Ganzkörpermassage "Scambio nel Vento", Wechsel der Windrichtung, ein wenig Spa-Poesie. Durch sanftes Drücken und Ziehen auf den Energielinien, den Meridianen, sollen sich Verspannungen, besonders im Nacken- und Schulterbereich lösen. Vania Da Tos spricht von Ying und Yang und dem Besten aus beiden Welten, aus Ost und West, das man in den Behandlungen zu vereinen suche. Der übliche Beauty-Sprech, mag sein, doch das ist es, was die anspruchsvolle Klientel einfordert. Da ist es durchaus erwähnenswert, dass im Spa-Menü keine Botox- oder sonstigen Behandlungen zu finden sind, die mit Natur und Nachhaltigkeit unvereinbar wären. Der neue Luxus kann auch mal Verzicht bedeuten.

Doch nicht alle Gäste kommen aus ökologischer Überzeugung, einige wollen schlicht ein neues High-End-Produkt ausprobieren, um mitreden zu können. "Es gibt Kunden, die darauf bestehen, zwei Bademäntel im Zimmer vorzufinden", sagt Prandelli - und bekommen sie dann auch. Desgleichen im Restaurant, wenn ein Gast Wein aus Übersee wünscht. Eine Gratwanderung. Wer viel zahlt, will seine Wünsche erfüllt sehen. Ein neues Produkt, und das ist das Lefay in Pinzolo, muss eben auch so manchem erst erklärt werden.

Davon abgesehen aber überzeugt die Küche voll und ganz. Auch wenn nicht alles bio ist, was auf den Teller kommt. Die Waage von regional und bio neigt sich deutlich auf die regionale Seite. Heimischer Saibling, Milchprodukte aus nächster Nähe, Pilze und Wild aus den umgebenden Wäldern. Im Dezember soll das Bio-Restaurant "Grual" eröffnen. "Wir arbeiten noch am Konzept und der Speisekarte", sagt Prandelli.

Unten am Ortsrand von Pinzolo steht die sehenswerte Kirche San Vigilio aus dem 14. Jahrhundert. Wie das Schwimmbecken des Lefay ist es aus Granitsteinen aus dem Val Genova erbaut. Das Außenfresko des Gotteshauses schuf der Maler Simone Baschenis circa hundert Jahre später, 1539, im Auftrag der Confraternita dei Battuti (Bruderschaft der Geschlagenen). Das Wandbild ist 22 Meter lang, zwei Meter hoch und zeigt einen Totentanz. Es stellt dar, wie er Tod zu allen kommt, zum Kind und zur Jungfrau, zum Bettler ebenso wie zum wohlhabenden Kaufmann, sogar zum Papst. Die Bildunterschriften ermahnten die Menschen der damaligen Zeit im heimischen Dialekt an die stetige Nähe des Todes, der alle Unterschiede nivelliert.

Gewiss, ein Kontrapunkt zum Angebot des Hotels und dem Wunsch seiner Gäste nach Schönheit, Jugend und Gesundheit. Was aber nicht gegen das Hotel spricht. Man kann es auch als Einladung verstehen, die Zeit, die man hat, gut zu nutzen.

© SZ vom 05.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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