Herr über die Landschaft:Berge versetzen

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Natur als Machtinstrument: Was im Dokumentationszentrum fehlt

Von Sonja Zekri

Rein geografisch gesehen ist die Sache völlig harmlos. Das Intercontinental Resort Berchtesgaden, Deutschlands erstes Mountain Resort, mit begehbarem Humidor, Shiatsu-Areal und vorgeheizten Ski-Stiefeln, liegt nämlich gar nicht auf dem Obersalzberg.

Jedenfalls nicht auf dem, den Adolf Hitler kannte. Wo Hitler Mussolini empfing und Kardinal Faulhaber, wo er mit Blondi spielte und den Russlandfeldzug plante ("alle meine großen Pläne sind hier entstanden"), lederbehost privat war und verheerend international: Diesen Berg gibt es nicht mehr.

Seit Martin Bormann daran ging, das Gelände in einen zweiten Regierungssitz mit erhöhtem Freizeitwert zu verwandeln, ist dieser Berg so oft ramponiert und umgegraben worden, ausgehöhlt, geschreddert und deformiert, dass nur noch die Koordinaten geblieben sind: 13. Längengrad, 47,4. Breitengrad.

80.000 Kubikmeter Erde bewegt

1952 wurde gesprengt, was nach den Bombenangriffen noch stand und großzügig bepflanzt, als ließe sich Geschichte einfach so begrünen; nach dem Abzug der Amerikaner, die zwar nie den ganzen Berg besetzt hatten, aber dem Freistaat einen willkommenen Vorwand lieferten, um den Obersalzberg einfach zu ignorieren, nach Abzug der Amerikaner Mitte der Neunziger wurde der denkmalgeschützte Platterhof abgerissen, einst NS-Gästehaus, später Hotel General Walker für amerikanische GIs; und erst vor drei Jahren endete die "Tiefenttrümmerung", die Pulverisierung der verbliebenen NS-Keller.

Insofern ist es zwar eindrucksvoll, aber nicht das erste Mal, dass soeben wieder mal ein Berg versetzt wurde: Für das Intercontinental wurden 80.000 Kubikmeter Erde bewegt.

Rein geografisch gesehen ist die Sache höchst kompliziert. Der Berg mag nicht mehr der Berg sein, aber die Landschaft ist noch immer die Landschaft, jene atemberaubende Gipfelkette, die für Hitler so viel mehr war als nur eine inspirierende Kulisse.

Wenn er seinen militärischen Stab, wenn er Minister, Präsidenten und Könige vor das große versenkbare Panoramafenster des Berghofes führte und der zwingenden Wucht dieser deutschesten aller deutschen Landschaften aussetzte, dann war dies eine bewusste Demonstration von Macht und Stärke, die Indienstnahme der Natur für die nationalsozialistische Herrschaftsausübung. Man kann die Überreste des NS-Regimes als Zeugnisse unterschiedlicher Unterwerfungsstrategien lesen.

Man kann Nürnberg, die Stadt der Reichsparteitage, als jenen Ort begreifen, an dem die Menschen durch die schiere Größe der Bauten in die Knie gezwungen wurden, durch die Niederwerfung des Einzelnen unter den Rhythmus der Masse; man kann Speers Berlin-Pläne als Einschüchterungsversuch durch die Auflösung der gewachsenen Urbanität begreifen.

Doch nur auf dem Obersalzberg ist das Land selbst historisch kontaminiert. Die naive Formel, dass die "Berge ja nichts dafür können", wird diesem Dilemma nicht einmal ansatzweise gerecht.

Am Ende wird die ambivalente Wirkung des Ortes für das Hotel ein heikleres Erbe sein als der Kommandostollen 20 Meter unter dem Bau.

Görings Schwimmbad

Diesen Missbrauch der Natur offenzulegen, wäre die Aufgabe des Dokumentationszentrums gewesen, in der ehemaligen Filiale der NS-Parteikanzlei, einen Steinwurf vom "Mountain Resort" entfernt.

Dort aber widmet man der innigen Beziehung von Macht und Landschaft nur ein Pflichtteil. Nicht, dass das Zentrum, das der Freistaat dem Hotelneubau voranstellte und 1999 eröffnete, eine schlechte Ausstellung zeigt.

Man lernt etwas über Terror, Ostfeldzug, NS-Volksgemeinschaft und die Besucherströme ("Wenn der Führer anwesend und nicht durch dringende Geschäfte verhindert ist, können die Besucher um 15 Uhr am Berghof vorbeimarschieren und werden vom Führer gegrüßt"); man kann sogar in die Bunker hinabsteigen, ein weniger gruseliger als funktionaler Untergrund.

Und doch wird man den Eindruck nicht los, dass die vom Institut für Zeitgeschichte konzipierte Schau ihren Gegenstand auf Armeslänge von sich hält.

Gewiss, hier wurde Weltgeschichte gemacht, aber muss man deshalb noch einmal die NS-Diktaktur in allen Verästelungen nachzeichnen? Hätte sich die Funktion dieses Ortes im NS-Herrschaftsgefüge nicht eindrucksvoller dokumentieren lassen, wenn man statt des unvermittelt im Raum schwebenden Volksgerichtshofspräsidenten Freisler die Inszenierung am Berghof-Fenster angedeutet hätte?

Ort ohne Ruhe

Der Journalist Florian Beierl, gebürtiger Berchtesgadener und Gründer des Obersalzberg-Instituts, das zwar nichts gegen das Hotel hat, aber Transparenz fordert, Beierl erforscht den Berg seit zwanzig Jahren: "Der Missbrauch der Natur prägt die NS-Zeit des Obersalzberges und gehört in eine künftige Ausstellung."

Beierl hat alle Hohlräume des Berges vor der Tiefenttrümmerung dokumentiert. Als sie die Keller auf dem Eckerbichl abtrugen, kam Görings zugewachsenes Schwimmbad zum Vorschein.

Ein Leck in einer Wasserleitung, und das Becken lief in Sekundenschnelle wieder voll. "So ist unser Berg", sagt Beierl. Ein Ort, der keine Ruhe findet und keine Ruhe lässt.

© SZ vom 24.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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