Handygespräche im Flugzeug:Grenzenloses Gebimmel

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Mit der relativen Ruhe an Bord könnte es bald vorbei sein: Die EU macht europaweit den Weg für Telefonate in Flugzeugen frei.

Cornelia Bolesch

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein", singt Reinhard Mey. Wer den Luftraum in der Regel auf einem Economy-Sitz durchquert, konnte sich zwar noch nie mit diesem Text identifizieren.

Doch selbst als Billigflieger genießt man in der Luft immer noch einen Luxus, der auf der Erde längst abhandengekommen ist: ausgeschaltete Handys. Kein Gebimmel stört die Reise, kein lautstark telefonierender Nachbar belästigt einen mit privaten Dramen. Mit der himmlischen Ruhe könnte es aber bald vorbei sein. Denn die EU macht europaweit den Weg für Telefonate in Flugzeugen frei.

Einheitliche technische Standards

Die EU-Kommission hat dazu am Montag einheitliche technische Standards verabschiedet. Das neue Regelwerk aus Brüssel erlaubt es den Fluggesellschaften, Mobilfunk nicht nur bei Inlandsflügen, sondern auch grenzüberschreitend anzubieten.

Fluglinien, die für diesen Service eine nationale Zulassung bekommen haben, können jetzt auch im Luftraum der anderen EU-Staaten unterwegs sein, ohne sich umständlich neue Genehmigungen besorgen zu müssen. Mobiltelefone könnten so auch mehrere Stunden lang auf Fernflügen, etwa über den Atlantik, genutzt werden.

Handy-Telefonate über den Wolken waren lange Zeit grundsätzlich verboten. Es ging dabei offenbar weniger um die Funktionstüchtigkeit der Bordinstrumente im Cockpit als darum, die terrestrischen Netze nicht über Gebühr zu strapazieren.

Mobiltelefone am Boden können eine direkte Verbindung mit Handys, die mit Höchstgeschwindigkeit dahinsausen, kaum aufrechterhalten. Die Lösung besteht in einer Technik, die den direkten Kontakt zwischen den Mobiltelefonen am Himmel und denen auf der Erde verhindert.

Kontrollsystem und Sendestation an Bord

Im Flugzeug werden dafür ein spezielles Kontrollsystem und eine kleine Sendestation installiert. Wer an Bord telefonieren will, dessen Signale werden zunächst zu dem mobilen Sendemasten dirigiert. Der stellt dann über einen Satelliten die Verbindung zur Erde her. Telefonieren oder SMS absetzen darf man aber erst, wenn die Maschine auf 3000 Meter Höhe geklettert ist. Bei Starts und Landungen müssen Handys ausgeschaltet werden.

EU-Kommissarin Viviane Reding versichert, dass 90 Prozent der Flugpassagiere mit ihren gängigen Geräten den neuen Service nutzen könnten. Anders als bei den Roaming-Gebühren am Boden, die Reding erfolgreich drücken konnte, hat die strenge Luxemburgerin aber keinerlei Einfluss auf die Höhe der Gebühren, die für das Telefonieren im Flug fällig werden. "Schock-Rechnungen" würden die Kunden nicht akzeptieren, warnt die Kommissarin vorsorglich.

Vielleicht macht man sich in Brüssel ganz überflüssige Gedanken. Denn ob die Mehrheit der Fluggäste den neuen Service überhaupt will, ist alles andere als gewiss. Zwar haben laut Kommission mehrere europäische Fluggesellschaften angekündigt, sie würden die neuen Mobilfunknetze in ihre Maschinen einbauen. Dazu gehören Air France, Ryanair, British Midland und die portugiesische Linie TAP. Doch andere Airlines scheinen nicht gewillt zu sein, ihr Image als eines der letzten handyfreien Refugien aufs Spiel zu setzen.

Die Lufthansa zum Beispiel will auf ihren Flügen lieber Breitband-Internetzugang anbieten und Mobilfunkgespräche auch künftig nicht erlauben. Man habe die Kunden gefragt, erläutert ein Sprecher, und eine eindeutige Antwort erhalten: "Die Leute möchten nicht gestört werden."

© SZ vom 08.04.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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