Hafen:Kopfsprung in den Fjord

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Oslos Hafen wandelt sich vom Industriegebiet zum Wohnquartier.

Von Evelyn Pschak

Stine Alvestad Berglund fegt noch schnell den Schnee von der Terrasse auf dem Bootsdach, bevor sie einen schmalen Holzsteg auszieht, damit die Saunabesucher, die am Kai warten, an Bord der Aurora kommen können. So richtig wie ein Boot sieht das Saunaschiff nicht aus, eher wie eine schwimmende Badehütte mit Flachdach auf einer Plattform aus wuchtigen Holzbalken und Fenstern, so dass man in der Sauna sitzend auf das Wasser gucken kann - oder auf das urbane Treiben samt Kränen, Silos und Neubauten mit schicken Glasfassaden. Und natürlich auf die Nationaloper, geplant vom norwegischen Architektenbüro Snøhetta, die auch ohne den frisch gefallenen Schnee blendend weiß wäre, soll der Bau aus Carrara-Marmor doch an einen treibenden Eisberg erinnern.

Kalt, aber unbedenklich ist das Bad im Oslofjord. Das Wasser wurde von Umweltgiften weitgehend gereinigt. (Foto: Thomas Johannessen)

Im März liegt die Wassertemperatur um die fünf Grad Celsius, auch die Luft fühlt sich je nach Windstärke mehr oder wenig eisig an. Saunameisterin Berglund ist warm eingepackt, während sie die ersten Gäste in den Vorraum der Sauna führt, wo sich die Umkleide für alle befindet und eine große Holzbank mit Klappe als Stauraum für Kleidung und Taschen.

Dass man am nördlichen Ende des Oslofjords, der die norwegische Hauptstadt und ihre fast 660 000 Einwohner mit der 118 Kilometer entfernten offenen See verbindet, überhaupt wieder baden kann, ist auf eine Entscheidung des Stadtrats aus dem Jahr 2000 zurückzuführen: Sollte Oslo Hafenstadt bleiben oder zur Fjord City werden? Der Rat stimmte für die Fjord City, das bedeutete, dass das alte Hafenareal mit seinen Eisenbahnlinien, Straßen, Lagerhallen und Brachflächen, die den Weg ans Wasser versperrten, weichen musste. Auf rund 228 Hektar entstand und entstehen seither urbane Räume, mit Stränden, Apartments, Restaurants und Museen. Der Containerhafen ist in den südöstlichen Teil des Hafens umgezogen, nur die Fähren und Kreuzfahrtschiffe dürfen weiterhin an den Kais der Innenstadt anlegen. Die Europastraße 18 wurde im Bjørvikatunnel unter einer Bucht des Oslofjords versteckt und macht Platz für Bjørvika, das neue Kulturquartier Oslos, wo gleich neben der Oper im kommenden Jahr das neue Munch-Museum und die Stadtbibliothek eröffnet werden.

Hafenrundfahrt in der Sauna: Die Gäste schwitzen mit Blick auf die neue Skyline des Stadt

2030 soll Fjord City fertig sein, an dessen Umbaumaßnahmen auch der Hafen von Oslo aktiv teilnimmt. Mit der neun Kilometer langen Hafenpromenade etwa, die von Kongshavn im Südosten bis zur Bucht von Frognerkilen an der Fjordspitze im Westen das Stadtufer entlang führt. Von 2006 bis 2009 wurde zudem beim "Oslo Fjord Clean Up" der Hafenschlick samt giftigen Schwermetallen ausgebaggert, der Rest wurde durch ein Capping genanntes Verfahren abgedichtet. Trude Thingelstad, eine Sprecherin des Hafens von Oslo, sagt, bei der Aktion seien "zwischen 95 und 99 Prozent der Altlasten aus dem Fjordgebiet in Zentrumsnähe entfernt" worden. Jetzt kann man in Oslos Stadtmitte also wieder schwimmen. Und das dank der Saunaboote von KOK nicht nur im Sommer, sondern das ganze Jahr. Im Winter hacken die KOK-Mitarbeiter Löcher ins Eis, in denen sich die Saunagäste abkühlen können. "Wir haben zwei Boote, Anfang Mai kommen drei weitere dazu", sagt Kristin Lorange, Mitbegründerin von KOK. Die frühere Pilotin hat ihre Unternehmung im Januar 2018 gestartet und nach dem skandinavischen Verb für "kochen" benannt.

Eine schwimmende Sauna im Oslofjord. (Foto: VisitOSLO/Didrick Stenersen)

Tatsächlich fühlt man sich nach einiger Zeit intensiven Schwitzens bereit für das kalte, bleigraue Fjordwasser. Da hat man dann bereits Bekanntschaft mit den Mitschwitzenden geschlossen. Mit dem ukrainischen Schreiner, der schon seit Jahren in Norwegen lebt, dem jungen Pärchen aus Bulgarien, der Portugiesin und dem Studenten aus Bahrain. Die einzige Norwegerin auf den Saunabänken schüttelt ein wenig den Kopf beim Geschrei mit dem die jungen Menschen in den Fjord springen und die kleine Leiter ins Wasser außer acht lassen. Ansonsten hört man nicht viel. Jazzmusik dringt über Lautsprecher in die Sauna. Und hin und wieder das euphorische Kreischen der Aurora-Besucher beim Wassergang.

Genau darum gehe es ihr, sagt Kristin Lorange, die sich freut, dass sich dank ihrer Saunaboote noch mehr Norweger und Gäste im Stadtgewässer Oslos aufhalten. "Vielleicht erkennen die Leute so, wie bedroht das Gut Wasser ist. Und damit auch ihre Verantwortung, es in gutem Zustand zu bewahren."

KOK Oslo, Langkaia, 0150 Oslo, www.kokoslo.no Mitnehmen: Badekleidung, zwei Handtücher, Trinkwasser; entweder man mietet das ganze Saunaboot für zwei Stunden als Gruppe (bis zu 14 Saunagänger, 2600 Kronen , ca. 270 Euro) oder bucht sich für zwei Stunden einen Einzelsaunaplatz für 230 Kronen (ca. 31 Euro). Die Saunaboote bleiben bei diesen Varianten an ihrer Anlegestelle.

© SZ vom 25.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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