Gesundheitstourismus:Tanz im Eishaus

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Wandern lässt sich im Mühlviertel gut mit Wellness oder einer Kur kombinieren. In Bad Zell kann man sich einer speziellen Kältetherapie unterziehen. Wer es lieber warm hat, nimmt dagegen ein Bad im Wollbett.

Von Stephanie Schmidt

Wenn der Tag mit einem Ausflug in den Gefrierschrank beginnt, wird das sicher kein Tag wie jeder andere werden. Wobei Gefrierschrank weit untertrieben ist. Minus 110 Grad Celsius beträgt die Temperatur der Kältetherapiekammer im Kurhotel Lebensquell in Bad Zell. Die Auswahl an Kurhotels ist groß, und andernorts im Mühlviertel gibt es modernere Wellness-Landschaften, etwa im Spa Hotel Bründl in Bad Leonfelden. Aber manche entscheiden sich insbesondere wegen dieser Kältekammer für den Kurort. Die Kältetherapie wird unter anderem bei chronisch entzündlichen Gelenkerkrankungen und Arthrose verschrieben. Mit den extremen Minustemperaturen kurieren auch Leistungssportler ihren starken Muskelkater.

Gegen neun Uhr morgens machen sich drei Damen in Badekleidung vor der Kältekammer bereit, sie ziehen Socken an und schlüpfen in Badeschlappen. Zwei von ihnen haben bereits gute Erfahrungen mit der Therapie gemacht. Gefriert einem bei dieser Kälte nicht das Blut in den Adern? "Nein", sagen beide übereinstimmend, "wir freuen uns schon." Maximal zweieinhalb Minuten darf ein Kurgast in der sogenannten Crio Space Cabine bleiben. Wobei nie einer allein hinein geht, sondern in einer Gruppe mit circa drei bis fünf Teilnehmern. Ein Mann, der auch dabei sein wollte, senkt enttäuscht den Kopf. Er darf nicht in die Therapiekammer, weil sein Blutdruck höher als 160/90 ist. Die drei Frauen sind nun bereit, für 30 Sekunden geht es bei "nur" minus 60 Grad Celsius in die Vorkammer. Dann öffnen sie die Türe der zweiten Kammer. Nebelschwaden wabern aus dem Raum, Eiseskälte strömt ihnen entgegen. Die beiden, die das Prozedere schon kennen, stürzen sich hinein. Die Dritte flüchtet wieder ganz nach draußen. Die Tür der Kabine lässt sich jederzeit von innen öffnen. Von außen durch das Fenster der Kältekammer betrachtet, sieht das Ganze wie eine skurrile Theateraufführung aus: Zwei Frauen im Bikini mit Wollmützen, Handschuhen und Mundschutz tanzen bewusst etwas verlangsamt zu Popmusik - hektisch soll man sich hier nicht bewegen. "Ein angenehm prickelndes Gefühl", sagen die beiden Tänzerinnen, als sie aus der Kälte kommen und gefragt werden, was sie empfinden.

Wer diese Erfahrung machen möchte, muss sich zuerst von Kurärztin Maria Holzmann untersuchen lassen. "Die Kältekammer hilft gegen zahlreiche Arten von Schmerzen. Auch Leute mit leichten Depressionen schicke ich da rein", erklärt Holzmann. Das Verfahren, bei dem Kurgäste und Patienten in circa zwei bis vier Quadratmeter große Kältekammern geschickt werden, ist allgemein anerkannt und kommt auch in Krankenhäusern zur Anwendung. Dem Aufenthalt in der Crio Space Cabine des Hotels Lebensquell folgt ein Bewegungstraining unter Anleitung eines Physiotherapeuten.

Andererseits bringt nicht jeder die gesundheitlichen Voraussetzungen für diese Behandlung mit, und manche halten die Eiseskälte keine Minute lang aus, sodass der gewünschte emotionale Kick ausbleibt. Doch gibt es andere, für die Region typische Therapien, die weniger Überwindungskraft bedürfen. Etwa Massagen mit Quendelöl. "Quendel ist wilder Thymian. Er wächst auf den steinigen Granitböden unserer Landschaft", erläutert Sandra Brandstötter, die als Kosmetikerin im Hotel Lebensquell arbeitet. Was kann die würzig riechende Pflanze? "Quendel wirkt heilend bei Hautunreinheiten und Neurodermitis. Hildegard von Bingen hat ihm blutreinigende Wirkung zugeschrieben."

Bei einer anderen, für das Mühlviertel charakteristischen Anwendung helfen seine Schafe mit. Sie liefern das Material für Wollbäder. Dabei baden Wellness-Urlauber allerdings nicht im Wasser, sondern im Trockenen. Vom Hals bis zu den Zehenspitzen werden die Gäste in Schafwolle gewickelt. Sie wurde dafür mit Quellwasser gereinigt und zu circa ein Zentimeter dicken Bahnen gepresst. Nun döst der Feriengast eine halbe Stunde in einem Holzbett. Das könnte eine kratzige Angelegenheit sein, denkt man sich vor dem Schönheitsschlaf. In Wirklichkeit fühlt sich die Schafwolle angenehm weich an. Von Zeit zu Zeit nur setzt der eng anliegende kuschelige Anzug einen herben Geruch frei. "Wollbäder fördern die Durchblutung. Und sie sind gut gegen Verspannungen", erklärt Brandstötter.

Wellness und Sport im Freien kann man in der 3000 Einwohner zählenden Gemeinde Bad Zell und nahe gelegenen Orten gut miteinander verbinden. Einige Gäste wollen das Naturschutzgebiet Tannermoor oder das Wandergebiet der Mühlviertler Alm erkunden. Andere kommen, um den 84 Kilometer langen Johannesweg zu gehen. "Man braucht in der Regel drei bis vier Tage dafür. Jedes Jahr gehen ihn 15 000 bis 20 000 Leute", sagt Hans Hinterreiter. Er ist Geschäftsführer des Tourismusverbands Bad Zell und führt Gruppen auf dem Johannesweg, der an zwölf Stationen auch eine Art von Coaching für Geist und Seele bietet. "Man kann den Weg aber auch sehr gut zu zweit ohne Führer machen, in seinem eigenen Tempo", erklärt er. 3000 Höhenmeter sind insgesamt zu bewältigen. Starten kann man in verschiedenen Gemeinden. Ein schöner Einstieg in den Johannesweg ist die Gemeinde Pierbach mit ihrer Burgruine Ruttenstein auf 700 Metern Höhe. Die Burg entstand Mitte des 12. Jahrhunderts. Von deren Turm haben Wanderer einen 360-Grad-Panoramablick. Auch das ist Wellness: der Blick in die Weite dieser dünn besiedelten Landschaft.

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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