Gesundheit:Zurück zur Quelle?

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Experten streiten,welches Wasser für den Menschen das beste ist

Von Michael Zirnstein

Wenn einer ein Mittel erfände, das die Menschen Jahre jünger aussehen lässt, das entspannt, schlank macht, die Gedanken befreit, den Darm in Schuss hält, Gelenk- und viele andere Beschwerden heilt, entgiftet, Herzschlag, Kreislauf und Stoffwechsel antreibt - wäre er mit so einem Wunderelixier nicht nur gesund und schön, sondern überdies ölscheichreich? Kaum. Es gibt das Mittel längst, für weit weniger als einen Cent je Liter fließt es in Deutschland in jedes Haus: Wasser. Das Normalste in der zivilisierten Welt.

(Foto: Foto: Photodisc)

Wenige wissen Wasser so zu schätzen wie Michaela Merten aus München. Dass sie überhaupt die Energie hat, schauzuspielen, zu moderieren, zu singen, zu schreiben, das verdanke sie "dem Wohlfühlelement Nummer eins", sagt sie. Als sie vor zehn Jahren - gerade in "Katrin ist die Beste" auf Sat 1 so erfolgreich wie ausgezehrt - sich chronisch kränkelnd durch den Berufsalltag schleppte, beschäftigte sie sich mit Ernährung, ließ sich zur Heilpraktikerin ausbilden und entdeckte beim Lesen alter und moderner Texte "Wasser - Die Glücksformel für Schönheit und Gesundheit". So heißt ihr Buch über den Quell des Lebens, das sich prima verkauft - auch, weil sie als 40-Jährige mit Energie, Strahlkraft und Aussehen einer gut zehn Jahre Jüngeren selbst die beste Werbefigur für ihre Wasserratschläge ist: Sie beschreibt Aqua- Fitness wie Aqua-Boxing und Aqua-Qi-Gong; seelenwirksame Wassertherapien von Wata-Wassertanz (wie Aikido-kämpfende Delphine) bis Aqua-Lomi (eine wellige Massage). Sie führt zu Badekultur nach Russland (Banja), Thailand (Songkran), Japan (Orfuro & Sento) und Griechenland (Thalasso). Sie gibt Rezepte für heilende Wickel und Inhalationen ebenso wie für entspannende Bäder daheim ("Schlaf-gut-Bad", "Straffungsbad"). Und vor allem beschreibt Merten, was Wasser alles kann, wenn man nur Tag für Tag mindestens zwei Liter trinkt (genauer: 30 Milliliter je Kilo Körpergewicht; umso mehr, je mehr Kaffee,Tee und Alkohol man intus hat; nicht zum Essen, weil es die Magensäure verdünnt; und vor 17 Uhr, damit man es nachts nicht lassen muss).

Wasser ist wieder, wenn auch nicht in aller, so doch in vieler Munde - ein Lifestyle-Produkt. Trendbars bieten 40 und mehr Sorten an. Flaschen von Edelwässern wie Ty Nant (die tiefblaue, die vor 15 Jahren einen Gourmet-Wasser-Boom auslöste) oder Voss (ein eleganter Zylinder) werden als Vasen gehortet. Und für das "Seehotel Überfahrt" am Tegernsee hat Merten eine Wasserkarte zusammengestellt. Die Kellner händigen diese wie eine Weinkarte aus, überreden sanft zum "Erlebnis Wassertrinken" und erklären, das kräftige Evian munde zum Wein oder Aqua Panna aus der Toskana perle "weich wie Samt die Kehle hinunter". Ein kleines Glas Voss, das aus einem norwegischen Wasserfall gezapft wird, serviert man für 12,50 Euro (schon im Einzelhandel kostet der Liter gut 12 Euro). Dafür gibt es im Bio-Laden immerhin zwölf Flaschen "artesisches" (aus eigener Kraft einer Quelle entsprungenes), "reifes" (jahrelang durch Stein gesickertes) oder "levitiertes" (feinst verquirltes, natürlich rechts drehendes) Wasser.

Wasser aus der Leitung oder aus artesischen Quellen?

(Foto: Foto: DDP)

Über derlei Bio-Luxus schüttelt Rainer List den Kopf. "Es ist eine Schande, wenn man in München das Wasser nicht aus dem Hahn trinkt", sagt er, "von uns kriegen sie 1.000 Liter in der Qualität, wie Sie im Bio-Laden eine Flasche bekommen." Rainer List arbeitet dort, wo das Münchner Wasser seit 120 Jahren größtenteils entspringt. Im Schutzgebiet im Mangfalltal hat der Leiter der Wassergewinnung der Münchner Stadtwerke sein Büro. Umgeben von einem Idyll aus nitratfilterndem Mischwald, in dem selbst Frauenschuh gedeiht und das er gerne herzeigt. 7.000 Neugierige führen List und seine Mitarbeiter jährlich zum Reißacher Wasserschlösschen und zu den Hangquellfassungen, aus denen das Wasser sprudelt, nachdem es vor sechs Jahren einmal auf den Taubenberg regnete. List braucht sein Produkt ("Wir handeln mit Lebensmitteln") nicht zu verstecken: "Wir liefern quellfrisch und naturrein ins Haus." Die Qualität lässt er mit 14.000 Proben pro Jahr kontrollieren - und von seinen Vorkostern: jungen, überempfindlichen Bachsaiblingen.Wer Bedenken wegen alter Blei- oder Kupferleitungen im eigenen Haus hat, dem bieten die Stadtwerke Laboranalysen an (siehe Anhang).

"Viele Mineralwasser sind schlechter als das Münchner Wasser" (und anderes Wasser aus dem Alpenraum), bestätigt Professor Peter Wilderer von der TU München - seit 2003 Träger des "Wassernobelpreises". Rheinabwärts aber, wo das Wasser aus dem belasteten Fluss gewonnen wird, rät er zu Vorsicht. Aufbereitet erfüllt das Uferfiltrat zwar auch die Trinkwasserverordnung, aber Unsicherheit herrsche noch bezüglich der erst heute messbaren Belastung durch Spurenstoffe wie Hormone (von der Pille) oder Arzneimittelrückstände.

Wasser-Puristen wie Michaela Merten kommt Wasser aus dem Hahn nicht ins Glas. Nur fünf Prozent der Inhaltsstoffe würden von den offiziellen Messungen erfasst, sagt sie. Gerade eben hat das Magazin Öko-Test in seiner Juni-Ausgabe eine neue Diskussion entfacht: die um das äußerst giftige Schwermetall Uran im Trinkwasser. Außerdem, so Merten, hänge die Qualität des Wassers nicht nur von seinen Inhaltsstoffen, sondern auch von seiner physikalischen Struktur ab. Die Theorie: Die H2O-Moleküle sind leicht magnetisch und dadurch sehr agil, quasi lebendig. An den Wänden von Plastikflaschen jedoch liefen sie sich "tot" und in Leitungen unter Druck verklumpten sie, so dass sie weniger Giftpartikel im Körper packen und nach draußen schleppen könnten. Merten vertraut daher auf selbst gezapftes, hochenergetisches Quellwasser oder kauft im Getränkemarkt Glasflaschen mit artesischem Wasser aus Höhenlagen jenseits der Pestizidgrenze, mit möglichst geringem Gehalt an Kohlensäure und Mineralien. "Die können meist eh nicht verwertet werden und bleiben als schädliches Geröll im Körper."

Ob man Wasser nun aus Mertens Bleikristall-Gläsern trinkt - in die Worte wie "Liebe" graviert sind, weil der Japaner Masaru Emoto bewiesen haben mag, dass Wasser unter positiven Schriften (und unter Vivaldi-Klängen) sich wohl fühlt und faszinierende Eiskristalle bildet (während es unter Hass-Botschaften und Billig-Pop verklumpt). Oder ob man es aus dem Hahn in die Karaffe aus dem SWM-Shop füllt (mit Stadtwerke-Signet). In der gerade von den UN ausgerufenen "Weltwasserdekade" sollte man vor allem bewusst und dankbar mit dem kostbarsten Lebensmittel des Planeten umgehen.

Weitere Infos: Schwermetall-Analyse im Trinkwasser der Stiftung-Warentest: 26 Euro, Tel.: 030-26312900, Adresse: Stiftung Warentest, Umweltanalyse Wasser, 10773 Berlin Unterschiedliche

Trinkwasser-Analysen der Stadtwerke München (auch für Nicht-Münchner): etwa mikrobiologische Untersuchung (19 Euro) oder Schwermetall-Untersuchung der Hausinstallation (51 Euro);Tel.: 01802-769769, www.swm.de/services/pages/1002.htm

Führungen in der Münchner Trinkwasserversorgung: ab zehn Personen, Tel.: 089-2361-78151 (Frau Wessely) Unabhängige

Inhaltsangaben von mehr als 1.000 Mineralwassern aus aller Welt: www.mineralwaters.org

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