Gesundheit:Weißes Gold

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Salz als Heilmittel und Wellness-Würze

Von Anne Goebel

Das Salatdressing schmeckt fad, der Pastasauce fehlt das gewisse Etwas - oft braucht es zur Korrektur nur ein wenig Salz. Der Griff zum Salzstreuer geschieht selbstverständlich, und kaum jemand macht sich bewusst, mit welcher Kostbarkeit er da hantiert. Salz ist lebensnotwendig, die diversen Geschmacksrichtungen werden in der hohen Kochkunst zunehmend beachtet, überdies unterstützt es den Körper beim Heilen und Wohlfühlen: Was unsereiner gedankenlos rieseln lässt, ist eine Kostbarkeit der Natur, die sich Sole-Kurbäder mit äußerlichen Anwendungen genauso zunutze machen wie Feinschmecker, die auf den Effekt etwa von französischem "Fleur de Sel" schwören.

(Foto: Foto: Getty Images)

Die Heilwirkung von Salz war schon im Altertum bekannt. Die Ägypter verwendeten Natriumchlorid, so die Bezeichnung der chemischen Verbindung, zum Austrocknen von Wunden. Die Römer nutzten den Stoff aus dem Meer als Zahlungsmittel, das Wort "Salär" leitet sich davon ab - und das "weiße Gold" hat später ganze Landstriche wie das Salzkammergut wohlhabend und als Bäderregion berühmt gemacht. In Bad Reichenhall werden noch heute Atemwegserkrankungen und Hautleiden mit unterschiedlichen Soletherapien behandelt. Das Salz des Urmeers ruht in der Reichenhaller Region seit Millionen Jahren im tiefen Inneren der Alpen und wird durch Quellwasser gelöst. Die so entstandene Sole, eine Wasser-Salz-Mischung, wird abgepumpt und zu medizinischen Zwecken verwendet. Bei Asthma oder chronischer Bronchitis wird die Inhalation von Sole, das Einatmen von salzigen Dämpfen, eingesetzt. "Die Hauptwirkung ist die Befeuchtung der Schleimhäute, das bedeutet weniger Husten, freieres Durchatmen", erklärt Johannes Kerschl, Chefarzt der Prinzregent Luitpold-Klinik in Bad Reichenhall. Hautkrankheiten wie Schuppenflechte oder Neurodermitis würden mit einer kombinierten Sole-UV-Therapie behandelt. Zarte Haut, Entspannung, Entschlackung: Wer nicht krank ist, sondern nur relaxen will, profitiert von den Wellness-Wirkungen von Salz und Sole. In der Ende März eröffneten "Rupertus-Therme" in Reichenhall kosten Besucher in Solegrotten oder Soleschwebebecken die belebende und gleichzeitig erholsame Wirkung des Kristalls aus: Beim Bad werden Mineralstoffe und Spurenelemente zwischen Wasser und Körper über die Haut ausgetauscht. Im Berchtesgadener Salzheilstollen baut man auf die wohltuenden Effekte der salzreichen Luft auf den Körper, der sich bei 15 Grad auf speziellen Liegen beim Plätschern des Solebrunnens in einer "Tiefenentspannung" regenerieren soll.

Der helle Kristall

(Foto: Foto: Photodisc)

Von Innen hat Salz vor allem eine Funktion: Es ist lebensnotwendig. Der Organismus benötigt Natriumchlorid, um den Flüssisgkeitshaushalt zu steuern und wichtige Prozesse in den Zellen zu gewährleisten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt eine tägliche Aufnahme von fünf bis sechs Gramm. Salz ist aber nicht gleich Salz: Vor allem seit eine stetig wachsende Fangemeinde auf die wunderbare Wirkung des so genannten Himalaya- Salzes schwört, scheiden sich die Geister über die beste Kristall-Version. Im Unterschied zum herkömmlichen raffinierten, industriell gewonnen Meer- oder Steinsalz soll das reine Naturprodukt aus Zentralasien, das in Naturkostläden, Reformhäusern, via Internet zum vielfachen Preis der handelsüblichen Ware angeboten wird, ein an Mineralien überreiches Universalheilmittel sein: In einschlägigen Publikationen ist von Senkung des Blutdrucks, Linderung von Rheuma und "positiver Beeinflussung" bei Krebs die Rede. Mediziner zeigten sich von Anfang an skeptisch gegenüber der neuen Salz-Bewegung, Helmut Oberritter, Wissenschaftlicher Leiter der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, hält Aussagen über den gesundheitlichen Nutzen des angeblichen Wundersalzes für "nicht haltbar". Oberritter: "Besondere Wirkungen auf den Körper durch Verzehr von Kristallsalz aus dem Himalaya sind wissenschaftlich nicht belegt."

Mit weniger trockenen, mehr genussvollen Fragen in Sachen Salz beschäftigt sich die hohe Gastronomie: Fleur de Sel, die nach kompliziertem Verfahren gewonnenen "Salz- Blumen" von der französischen Atlantikküste, sind der dernier cri im Reich der Sterne- und Haubenköche. Sie lieben den milden Geschmack des Naturprodukts, das keinerlei bitteren Nachklang auf der Zunge des geneigten Delikatessenfreunds hinterlasse. Raffiniertes Kochsalz ist hier passé. Für seine Tunfischroulade auf Safrangelee, das Millefeuille vom Kabeljaurückenfilet kommt beispielsweise Hans- Peter Hussong von der sternengekrönten Wirtschaft zum Wiesengrund im schweizerischen Uetikon am See nur Fleur de Sel in die Töpfe. Der Geschmack bringt den Maître ins Schwärmen: "Nussig. Intensiv. Elegant." Wüsste man's nicht, wäre es schwer zu glauben, dass da von Salz die Rede ist. Pardon, vom weißen Gold.

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