Gesundheit:Vom Trinken

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Wasser marsch - damit die Energien fließen

Wer trinkt, liegt voll im Trend. Auch ich bin zum Trinker geworden, greife mittlerweile reflexartig zur Flasche und Schuld daran trägt die Aufforderung, dem Thema nachzugehen, wie wichtig die Zufuhr von Flüssigkeit ist, um den menschlichen Organismus, dessen Zellen, vom Kleinhirn bis zum großen Zeh, voll funktionsfähig zu halten.

Viel trinken - jeder weiss, dass man eigentlich immer zu wenig trinkt. (Foto: Foto: DDP)

Also: Schlag' nach bei Faller, dem Autor eines Standardwerkes über den Körper des Menschen! Und schon hat man sein Schlüsselerlebnis, auch wenn nicht alles, was da unter dem Stichwort Wasser zu finden ist, so furchtbar neu ist. Hat man nicht schon in der Schule gelernt, dass der Körper zu zwei Drittel aus Wasser besteht und dass davon wiederum das meiste zwischen den Zellen zirkuliert? Auch, dass ein Verlust von 15 Prozent des Wasserbestands bereits zum Verdurstungstod führt, vermag keine Besorgnis auszulösen. Immerhin leben wir, auch wassermäßig, in einer Überflussgesellschaft und haben jede Gelegenheit, den Tank in unserem Körper aufzufüllen, sobald uns der Körper warnt, dass der Pegel unter die kritische Marke zu fallen droht.

Doch dann, unvermittelt, Fallers Satz, der geeignet ist, einen zum Trinker zu machen: "Die täglich benötigte Wassermenge beträgt zwischen zweieinhalb und drei Litern." So viel? Und täglich? Vier Flaschen Mineralwasser oder sechs Halblitergläser Leitungswasser? Wer schüttet schon so viel Flüssigkeit in seinen Körper? Wo doch ohnehin der Kaffee außer Konkurrenz läuft, weil er dem Körper Wasser eher entzieht, anstatt es ihm zuzuführen! Aber nie hat mein Körper wegen eines Fehlbedarfs Alarm geschlagen. Gibt es also kein Frühwarnsystem? Habe ich mich so verhalten wie jemand, in dessen Auto die Ölstandanzeige ausgefallen ist und der darum kein Öl nachfüllt, bis der Kolben frisst? Was habe ich meinem eigenen Motor angetan? Irreparables?

Aufatmen! Es gibt bei Adolf Faller den beiläufig gemachten Hinweis, dass auch in fester Nahrung Wasser enthalten sei. Ist es also so, dass das meiste Wasser in Form von Brot und Wurst und Salat aufgenommen wird? So muss es sein. So kommt alles in Ordnung, und eine besonders schöne Vorstellung ist es angesichts eines knusprigen Schweinebratens, dass man auch in dieser Hinsicht Schwein hat und viel von dessen Wasser abkriegt - als unentbehrliches Transportmittel für den Nachschub von Kohlehydraten, Fetten, Eiweiß, Salzen, Zucker, Vitaminen an die Zellen.

Urquell des Lebens mit heilender Kraft

Aber der Vorsatz bleibt, mehr als bisher zu trinken. Kann ja nicht schaden, das zusätzliche Schmiermittel für Gehirn und Muskeln! Vom Urquell des Lebens trinke man dabei, sagen Barbara Hendel und Peter Ferreira, Autoren eines weiteren Sachbuches. Mit einer Kostbarkeit sondergleichen hat man es zu tun, vernimmt man. Nicht nur, dass es da eine geheime Verbindung zwischen der Molekularstruktur des Wassers und der Geometrie des ägyptischen Pyramidenbaus gibt, weil beide auf die gleiche Weise vollkommen sind. Nicht nur, dass das Wasser aufgrund dieser genialen Struktur wichtige Informationen speichern und an die zuständigen Stellen in unserem Körper weitergeben kann und deshalb eine immens heilende Kraft hat. Nein, was am meisten beeindruckt, ist dies, dass man mit dem Wasser sprechen kann, zumindest wenn man Japanisch beherrscht und Dr. Masaru Emoto heißt. Der hat dem Wasser zugerufen "Du machst mich krank". Und dem Wasser später das Wort "Liebe" zugeflüstert. Nach beiden Malen hat er das Wasser eingefroren. Und heraus kam, dass das Eis jeweils eine andere Struktur angenommen hatte - im einen Fall eine chaotische, die einem Krebsgeschwür nicht unähnlich war, im anderen Fall jedoch eine perfekte geometrische. Möglicherweise haben schon die alten Ägypter ihren Sklaven beim Pyramidenbau das Wort "Liebe" zugerufen. Aber das ist ein anderes Thema.

Bleiben wir beim Wasser. Und lernen wir von Hendel und Ferreira: "Das Wasser", schreiben sie, "fließt in Form von Körperflüssigkeiten wie Blut und Lymphe mäanderförmig durch unseren Organismus und baut so die Energie erzeugenden Kräfte auf. Unsere Wirbelsäule heißt nicht Wirbelsäule, weil wir die Knochenbestandteile dazwischen als Wirbel bezeichnen. Sondern weil sich dort die Energien mäanderförmig verwirbeln und so den Stromkreis in unserem Körper aufrechterhalten."

Grund genug also, dem Trinken zu verfallen - so wie das indische Model Padma Lakshmi, von dem meine Kollegin Rebecca Casati berichtet, es trinke alle 30 Minuten einen Liter Wasser, was auf einem Flug von London nach Indien 20 Liter ausmacht. Beim nächsten Flug auf dieser Route wird man darauf bestehen müssen, nicht einen Gangplatz neben Frau Lakshmi zugewiesen zu bekommen. Aber kein Wunder, dass das Model zur Trinkerin geworden ist. "Die Fähigkeit, riesige Mengen an Wasser zu konsumieren und wieder auszuscheiden, ist zu einer Art Statussymbol der Moderne geworden", schreibt Rebecca Casati und fährt fort, die hellblaue Plastikflasche immer bei der Hand, diene heute als "Wunderwaffe, Erfolgsgeheimnis, Jugend- und Schönheitselixier".

Mag sein. Ich habe profanere Gründe und die Worte meines Freundes Pino im Ohr, der als pensionierter Apotheker und passionierter Golfspieler seinen Spielpartnern dramatisch vor Augen führt, wie sie geradewegs ins Verderben spazieren, wenn sie außer dem Schläger nicht zusätzlich eine Wasserflasche mit sich führen. "Der Körper", sagt er, "schüttet bei zu geringem Flüssigkeitsangebot Hormone aus, die dem Gehirn signalisieren, man solle doch mit Wasser sparen. Das Gehirn schaltet sofort und funkt dies weiter und prompt werden Schweißmenge, Harnausscheidung und Durchblutung gedrosselt. Das aber bekommt dem Herzen und dem Gehirn nicht gut. Das Blut wird dickflüssiger, das Herz muss kräftiger pumpen und das Gehirn kriegt weniger Sauerstoff. Die Körpertemperatur steigt, der Kopf wird rot. Auch die Milchsäure wird nicht mehr richtig abtransportiert und fängt an, die Muskeln zu blockieren."

Milchsäure fängt an, die Muskeln zu blockieren

Soweit der Fachmann. Was er nicht sagt: Der Wasserverlust kann sogar zum plötzlichen Herztod führen. Und schon denkt man an den Griechen Pheidippides, von dem es heißt, er sei in Athen tot zusammengebrochen, nachdem er gerade noch rechtzeitig seinen Landsleuten verkündet hatte, ihr Feldherr Miltiades habe bei Marathon die Perser vernichtet.

Ich selbst bin Jogger ohne Siegesmeldungen. Gleichwohl: Seit der Aufklärung durch Faller, Hendel, Ferreira, Cassati und Pino ist kein Getränkeautomat mehr vor mir sicher. Eiskalt schütte ich das Wasser in mich hinein, was zwar auf den Magen schlagen kann - aber die Gehirn- und Muskelzellen und auch die Getränkeindustrie werden es mir zu danken wissen.

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