Freizeitpark:Abenteurer in der Staunzone

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Keuch! und klatschklatsch! Wie man Superlative bewältigt und sich mit alten Bekannten vergnügt: Zwei Tage in Disneyland Paris

Zwei Leute, eine groß und einer kleiner, auf Abenteuersuche. Sie könnten es sich einfach machen und an der Isar entlang stromern und Biber ärgern. Aber sie sind modern und machen es sich noch einfacher. In Disneyland, in der Nähe von Paris, gibt es ein vorgefertigtes Abenteuerland, das hier wegen seiner amerikanischen Herkunft Adventureland heißt.

(Foto: N/A)

Adventureland liegt links vom Cinderella- Schloss. Man erkennt es an dem mächtigen Dreimaster, der unter einem Totenkopf-Felsen im Wasser dümpelt, und an dem riesigen Baumhaus, das alles überragt. Außerdem steht dort die karibische Festung, die von gemeinen Piraten eingenommen wird. Seufz, die Piraten. Sie gehören zu einer der "Attraktionen", wie das hier genannt wird, wenn man mit einer Gondel, einem Schiff oder einer Lore durch Geisterwelten und Staunzonen befördert wird. Mal langsam, mal achterbahnmäßig, meistens unterirdisch.

Aber wer wird so ein steriles Wort wie Attraktion benutzen, wenn es um die - grusel - Piratenfestung geht? Um eine Bootstour im Mondschein durch schwüle Lagunen, vorbei an glitzernden Schatzhöhlen, an Skeletten, die Rum in ihre löchrigen Kehlen kippen und - juchz - einen Wasserfall hinab in die Zetermordio- Szenerie, wo die Banditen der Meere die Stadt entern, plündern, saufen, brandschatzen und schmatzen. Das Ganze musikalisch untermalt vom Piratenmarsch, denman nach zehn Minuten pfeifend, summend und singend beherrscht. Ja, die "Pirates of the Caribbean" sind eindeutig Lieblinge. Man schafft es, sie viermal zu besuchen, wenn man insgesamt drei Tage Disney einplant, einen Fast-Pass (mit dem alles schneller geht) besitzt und berücksichtigt, dass noch etwavierzig andere Attraktionen zu bewältigen sind, allein im Disneyland Park.

Doch bevor es ins Eingemachte geht, muss unbedingt von einem ganz anderen Abenteuer berichtet werden. Von dem Kulturschock, womöglich dem ersten im Leben, den man zu verkraften hat, wenn man sich den riesigen Hotelanlagen nähert, die plötzlich aus der öden Flachlandschaft östlich von Paris ragen und die das Vergnügungsviertel wie ein Speckgürtel umgeben. Resort folgt auf Resort, insgesamt stehen 7800 Zimmer zur Verfügung, die mit bis zu vier Leuten belegt werden können. Im Zentrum dröhnen Disney Village, eine Art Vergnügungsmeile à la Pier von Brighton, und die Walt Disney Studios - mit der Stuntshow, der Tour durch explodierende Filmkulissen und einem 3-D-Film, in dem das Publikum geschrumpft wird. Und dort liegt natürlich auch Disneyland, der Klassiker, der wiederum aus fünf fantastischen Reichen besteht.

Alles in allem eine gigantische Menschenmassenverarbeitungsmaschine, deren filmreife Fassaden helfen sollen, den Durchlauf zu verharmlosen, der hier täglich bewältigt wird. Zur Gästemasse gesellen sich etwa 12 500 Mitarbeiter, die Pinocchio-Shirts oder Zuckerwatte in einem der 46 Läden und 23 Verkaufsstände an das Kind bringen, als Donald verkleidet durch die Gegend tapern oder in einem der 68 Restaurants kellnern. Verwirrend viel, unübersichtlich groß. Uff.

Gib Küsschen, Minnie! (Foto: Foto: DDP)

Ganz schön heftig für den Anfang. Aber der Abenteurer von Format lässt sich von ein paar Superlativen nicht abschrecken. Schließlich wächst man an seinen Aufgaben und weiß als Kenner der Themenpark-Szene, dass es irgendwo einen Zuckelzug geben muss, der dem Ankömmling mit einer Runde um den Block erste Orientierung gibt. So auch hier. Gleich hinter dem Hotel, das so aussieht wie ein Marzipankuchen, liegt der Bahnhof, in dem - tröt - die Westernbahn hält. Mit der geht es durch den Grand Canyon, vorbei an einem Schaufelraddampfer, dem Teetassenkarussell und der Rakete, die Menschen auf den Mond schießt.

Einer singt, eine krächzt

Ausstieg Frontierland, der Heimat von Trappern und Goldgräbern. Dort steht der Big Thunder Mountain, eine Mine mit Achterbahn und ab sofort mit zwei Leuten in der Warteschlange davor, eine Zitternde und ein Wagemutiger. Von der Fahrt gibt es nichts zu berichten, außer dass sie laut war, denn - dunnerkeil - der Mensch sieht mit geschlossenen Augen nichts. Der Kleinere von beiden hat übrigens am Tag darauf die viel schlimmere Indiana-Jones-Fahrt überlebt, souverän. Wow. Aber das soll hier verschwiegen werden, weil die Große ein Angsthase ist und sich gedrückt hat. Dafür hat der Kleinere seine Zuckerwatte bekommen. Und dann nicht aufessen wollen, sondern im Hotelzimmer vor sich hin kleben lassen! Und wer muss das Zeug in die Tonne hauen, mmh?

Egal, die Begeisterung steigt von Minute zu Minute. Gemeinsames Pfeifen des Piratenliedes. Bald gehört uns die ganze Welt! Das Geisterhaus mit den halb vergammelten Leichen. Der sternenfunkelnde Himmel über Peter Pans London. Das labyrinthische Höhlensystem samt Stalagtit und Stalagmit. (Na, wer kennt den Unterschied?) Abends die Wild West- Show mit Buffalo Bill, echten Bisons und Bratkartoffeln. (Und es schämt sich niemand, den Cowboyhut zu tragen, den er vom Personal bekommen hat. Das muss man sich vorstellen: hunderte Zuschauer mit Cowboyhüten, darunter ein großer und ein kleinerer!)

Inbrünstiges Summen des Piratenliedes. Immer mehr liebevolle Details springen ins Auge, das A-Hörnchen im Kapitell einer Säule zum Beispiel oder die Comics im Spiegelrahmen. Auch den meisten Animateuren darf man ihre gute Laune getrost abnehmen. Und selbst die Parade mit Disneyfiguren von Minnie Maus bis Aladin, aus der Ferne betrachtet eine eher befremdliche Angelegenheit, erfreut das Gemüt. Schließlich sind es ja alles alte Bekannte, die da mitlaufen.Am Ende ist alles gut. Große Begeisterung. Der Kleinere singt das Piratenlied. Die Große macht mit, kann aber nur noch krächzen.

Kontakt: Disneyland Resort liegt 32 Kilometer östlich von Paris. Eine Übernachtung im exklusiven Disneyland Hotel und zwei Tage Eintritt in die Themenparks kosten für zwei Erwachsene und ein Kind insgesamt 507 Euro in der Nebensaison oder 739 Euro in der Hochsaison. Im günstigeren Hotel Santa Fe kostet dasselbe Paket 277 Euro (Nebensaison) oder 439 Euro (Hochsaison). Es gibt zahlreiche wechselnde Sonderangebote. Tel. 0180- 1003004 www.disneylandparis.de

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