Fränkische Schweiz:"Wie hart wollt ihr es haben?"

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Eigentlich ist die Fränkische Schweiz ein Ort für Romantiker. Eine Höhlentour lässt aber auch die Herzen von Adrenalinfreaks höher schlagen.

Ingo Hübner

Die Geschichte beginnt mit einem Zeitungsbericht. "Dramatische Rettung aus Höhle", lautet seine Überschrift. Vorbei ist es mit der sorglosen Bierprobe im Gasthaus Rothenbach, seitdem der Gast seine Absicht geäußert hat, an der Erkundung einer Spalthöhle teilzunehmen. Der Zeitungsbericht liegt jetzt mahnend auf dem Tisch.

Mit dem fränkischen Sinn für die leisen Zwischentöne, hat ihn der Wirt Ernst Rothenbach irgendwo aus den Untiefen hinter seiner Schanktheke hervorgekramt und seinem Gast lächelnd präsentiert. Doch der will gar nicht weiter lesen, sich die Tour nicht mit unnötiger Panikmache vermiesen lassen.

Eine Einstimmung aus der historisch-wissenschaftlichen Perspektive ist da doch viel unverfänglicher. Nur wo anfangen? Mit dem Jurameer, das vor grob 150 Millionen Jahren die ganze Gegend ertränkte? Okay, es war ein tropischer Ozean und die berühmten Felslandschaften der Fränkischen Schweiz waren noch mehr oder weniger schillernde Schwammriffe. Der Ozean fällt trocken, die Riffe werden zu Dolomit- oder Kalkfelsen.

Die Geschichte im Untergrund beginnt dann erst weit jüngeren Datums und lässt sich am besten in einer der drei großen Schauhöhlen festmachen. Bing-, Sophien- und Teufelshöhle heißen sie. Prächtige Tropfsteine in unterirdischen Sälen, bis zu 50.000 Jahre alt.

Mindestens so lange arbeitet also das Wasser schon an der Gestaltung der Unterwelt. Und es war fleißig: Über 1.000 Höhlen sollen existieren, mehr als 800 sind kartiert.

Nun also von der Brauerei in die Höhle. "Zieht jetzt mal den Blaumann über, es wird dreckig", sagt Höhlenführer Günter Christof als die Gruppe den Einstieg zur Schönsteinhöhle im Wald erreicht hat. Akkurat gestutzter angegrauter Mundbart und blaue Augen verleihen ihm die Ausstrahlung eines gutmütigen Onkels. Ein verlässlicher Ruhepol. Helm mit Stirnlampe aufgesetzt und durch den Spalt in der Felswand hinein in den ersten Raum.

Jetzt kommt der Psychotest: "Bitte alle in den Marthakeller absteigen", Günter deutet auf ein Loch im Boden, das nicht viel mehr als 30 Zentimeter Durchmesser hat. Günter grinst, aber er meint es ernst. Der Trick besteht darin, die Arme an den Körper anzulegen und einfach durchzurutschen.

Für einen genaueren Blick auf die Region klicken Sie bitte auf die Lupe! (Foto: Grafik: Dreyssig)

Ich stecke fest, der Blaumann verklebt irgendwie mit dem feuchten Kalkstein. Mit Vaseline eingeschmiert ginge es sicher leichter! Jemand zieht an meinen Beinen und ich bin durch. Nur Günter bleibt oben, der Rest kauert jetzt in einem glitschigen Loch, Deckenhöhe unter 1,5 Meter. "Alles klar?", fragt er, 14 Jas kommen von unten zurück. Wer durch das Loch passe und keine klaustrophobischen Anwandlungen habe, schaffe es in der Regel auch durch die ganze Höhle, erklärt Günter den Zweck der Übung, bevor es tiefer in das Labyrinth hinein geht.

Nicht zu rund und nie ohne Führer

Nach ein paar eher harmlosen Kriechgängen ist es wieder so weit, zwei weitere Ausschlusskriterien für den Höhlengang folgen: Man sollte nicht zu rund und nie ohne Führer sein. Kommt beides zusammen, kann man schon einmal stecken bleiben. Mit Glück bleibt es dann bei einigen Stunden. "Links, dort wo es hell ist, da hat die Höhlenrettung das Gestein wegsprengen müssen, um den Kerl frei zu kriegen", sagt Günter an der Engstelle. Der Originalschauplatz des späteren Zeitungsberichts.

Sechs Stunden war der Mann gefangen, mit Valium von den Rettern sediert. 60 Personen waren an seiner Befreiung beteiligt. Wie allerdings jemand mit 120 Kilogramm Lebendgewicht auf die Idee kommen kann, sich durch den Gang zu zwängen, der beim Durchkriechen Assoziationen an einen Geburtskanal hervorruft, darauf hat Günter keine Antwort. Wenig später kann man endlich mal wieder aufrecht stehen: ein Raum, die gewölbte Decke voll behangen mit Tropfsteinen, Sinterfahnen laufen an den Wänden hinab - das sind die Gebilde, die an Schinkenspeck erinnern.

Die Entdeckung des Verborgenen

Es riecht nach abgestandener Zeit, der letzte Eindruck der noch irgendwas mit Orientierung in der allumfassenden Schwärze jenseits des Stirnlampenlichts zu tun hat. "Ein wahnwitziger Bildhauer scheint hier seine Werkstätte gehabt zu haben, mit so verworrenen Figuren sind die Wände geziert". Das sagt zwar Günter, hat aber der Pfarrer Johann Esper 1774 über die Höhlen der Fränkischen Schweiz geschrieben und damit den Run auf sie eingeläutet. Hier ist es, das Motiv, das den Höhlengänger antreibt: Die Entdeckung einer wundersamen Welt im Verborgenen. Fallende Wassertropfen hätten jetzt leichtes Spiel in staunende offene Münder zu treffen.

Weiter über eine natürliche Treppe im Gestein nach oben, durch einen keilförmigen Gang. Der hat allerdings Löcher im Boden, in die man nicht hineinfallen sollte. Entferntes Rauschen von Wasser dringt herauf. Aus dem nächsten Raum scheint es kein Entrinnen mehr zu geben. "Wie hart wollt ihr es haben?", fragt Günter als alle versammelt sind. Drei neue Kriechgänge, die sich bislang im Schatten versteckt haben, stehen als Ausgang zur Auswahl. Nach kurzer Diskussion fällt die Entscheidung für die sanfte Tour, vier Erwachsene haben zehn Jugendliche überstimmt.

Jetzt müssen die Arme voraus - wie soll ich mich, im Gang liegend, so noch bewegen? "Immer schön mit den Füßen schieben", ist Günters Rat. Das Gewicht von tausenden Tonnen Stein lastet schwer auf meiner Psyche. Herzschlag in den Ohren. Wie wäre es wohl, wenn sich der Fels plötzlich bewegt, alle Auswege verschließt? Früher hieß es immer: Im Weltall hört dich niemand schreien. Tief durchatmen! Nach einigen Metern schon weitet sich der Gang, steigt an, und endet schließlich in einem neuen Raum. Die Nachkommenden schälen sich mit Verrenkungen aus dem Loch, als hätten sie beim Chinesischen Staatszirkus gelernt. Günter ist der Letzte. "Das war's, wir sind wieder im großen Raum mit dem Marthakeller".

Die Orientierungslosigkeit weicht plötzlich der befriedigenden Erkenntnis, der eigenen Urängste Herr geworden zu sein. Ein Adrenalinkick wie nach einer Achterbahnfahrt. Als sich die Augen kurz darauf wieder an das grelle Tageslicht gewöhnt haben, fragt jemand: "Was hätte man bei einer Panikattacke machen sollen?" "Ach", sagt Günter, "einfach nur die Ruhe bewahren." Da ist er wieder, der fränkische Sinn für die leisen Zwischentöne.

Information:

Orientierung / Anreise: Die Fränkische Schweiz liegt im Norden Bayerns, zwischen dem "Städtedreieck" Bamberg, Bayreuth und Nürnberg. Von Frankfurt mit dem Auto über die A3 Richtung Nürnberg, bei Würzburg auf die A7 Richtung Schweinfurt. Beim Dreieck Schweinfurt/Werneck auf die A70 Richtung Bamberg.

Auskunft: Tourismuszentrale Fränkische Schweiz, Oberes Tor 1, 91320 Ebermannstadt. Postadresse: Postfach 1262, 91317 Ebermannstadt, Tel. 09194/797 779, Internet: www.fraenkische-schweiz.com

Höhlenabenteuer: Aktiv Reisen, Forchheimer Str. 14, 91346 Muggendorf, Tel. 09196/998566, Internet: www.aktiv-reisen.com

Übernachten: Muggendorf: Hotel Goldner Stern, Marktplatz 6, 91346 Muggendorf, Tel. 09196/92980, Internet: www.goldner-stern.de, DZ inkl. Frühstück ab 68 Euro.

Burg Rabenstein: Rabenstein 33, 95491 Ahorntal, Tel. 09202/970580, Internet: www.burg-rabenstein.de, DZ ab 134 Euro. Eine Nacht auf der Burg sollte man sich nicht entgehen lassen!

Literatur: Fränkische Schweiz, Michael Müller Verlag. Liebevoll recherchierter Reiseführer, der kein Fragen offen lässt.

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