Fotomontagen:Reale Ideale

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Lard Buurman inszeniert Begegnungen im öffentlichen Raum afrikanischer Städte. Damit geht er an die Grenzen des Wahrscheinlichen.

Von Stefan Fischer

Für Reisende aus dem Westen liegt die Faszination Afrikas ganz überwiegend in der gigantischen Natur begründet. Sie bringen, notiert der Fotograf Lard Buurman in seinem Band "African Junctions. Capturing the City", deshalb kaum Bilder und Eindrücke aus den Städten dieses Kontinents mit nach Hause. Es seien jedoch weitaus stärker die urbanen Räume als die ländlichen Regionen, in denen sich die jeweiligen Gesellschaften spiegeln, so die Kuratorin und Essayistin N'Goné Fall in ihrem Vorwort.

Der Niederländer Buurman hat deshalb in den Metropolen Afrikas fotografiert, auf den Straßen der Mega-Citys - nicht bloß an Straßenkreuzungen, wie der Titel des Bildbandes suggerieren könnte. Buurman meint das grundsätzlicher mit den African Junctions, er will die Verbindungen, das Zusammen- und wieder Auseinanderlaufen der Menschen dokumentieren. Und wendet dafür ein in der dokumentarischen Fotografie außergewöhnliches Verfahren an: Seine Bilder sind Fotomontagen.

Von "modifizierter Realität" schreibt N'Goné Fall, vom "Wiedererfinden der Wirklichkeit". Lard Buurmans Bilder zeigen idealisierte Momente des öffentlichen Raums, der in den afrikanischen Städten zugleich auch viel Privates offenbart, da sich das Leben in viel größerem Ausmaß als in Europa auf den Straßen abspielt. Charakteristisch für afrikanische Städte - darin seien sie bei aller Unterschiedlichkeit vergleichbar - sei die Abwesenheit von Infrastruktur. Der öffentliche Raum wird nach Bedarf okkupiert, vom Verkehr, von Ladenbesitzern, von spielenden Kindern.

Diese ständige Bewegung, dieses Mit- und Nebeneinander zeigt Lard Buurman in prototypischen Szenerien. Seine Argumente für die Anwendung der Montagetechnik: Jedes Foto sei manipuliert; abhängig davon, ob man fünf Sekunden früher oder später auslöst, bekommt man einen differenten Beleg für die Normalität. Und manchmal lasse sie sich gar nicht in einem einzigen Bild festhalten. Dann nämlich, wenn Passanten auf die Kamera reagieren und sich nicht mehr alltäglich verhalten.

Wissend, dass die Bilder montiert sind, wird ihre Betrachtung umso spannender. Schaut der Mann beim Überqueren einer Straße tatsächlich dieser Frau hinterher, oder gilt sein Blick etwas anderem? Buurmans These ist: Er hätte ihr nachgeblickt, wenn sie sich zufällig begegnet wären. Insofern zeigt er eine wahrscheinliche und damit reale Szene aus Daressalam.

Als Betrachter achtet man dadurch stärker auf die Individuen, weil sie eben nicht zufällig auf den Fotografien auftauchen. Sondern weil sie in ihnen zu Akteuren werden und ihnen eine Rolle zukommt in der Darstellung einer kleinen Anekdote. Weil durch ihre Anwesenheit die Städte Afrikas ein aussagekräftiges Bild bekommen.

Lard Buurman : African Junctions. Capturing the City. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2014. 216 Seiten, 38 Euro.

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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