Flugverzicht für die Umwelt:Das neue Klima

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Die Deutschen, und nicht nur sie, sorgen sich sehr um die Umwelt. Je konkreter die Sache aber wird, desto mehr wächst die Zurückhaltung.

Wolfgang Roth

Viele haben es vorausgesagt, vor allem die Skeptiker, die Fatalisten, diejenigen, die nie ans Gute im Menschen glauben: Entschlossenes Handeln gegen den Klimawandel wird es erst dann geben, wenn die immer härteren Prognosen der Fachwelt anschaulich und spürbar werden.

Ein Flugzeug hinterlässt schädliche Spuren am Himmel. (Foto: Foto: dpa)

Ob dieser außergewöhnlich milde Winter, ob die langanhaltende Hitze des Sommers 2003 und das Bilderbuchwetter während der Fußballweltmeisterschaft nun schon mehr als ein Indiz für diesen Klimawandel sind, das mag dahinstehen. Das Stimmungsklima haben diese Wetterkapriolen in Deutschland mehr beeinflusst als ferne Flutkatastrophen und Dürren.

Die Folgen der Erderwärmung sind nun das Thema, nur die Arbeitslosigkeit läuft ihm in den Umfragen noch den Rang ab. Was so vehement hochkocht, ist schwer zu regeln, schon gar nicht von Politikern, die unter dem Zwang stehen, auf jede Stimmung reagieren zu müssen.

Deshalb kommt die Rettung mal von Hybridautos, mal vom Verzicht auf Urlaubsreisen, heute von einem Tempolimit und morgen von Energiesparlampen. Was Bestandteil eines umfassenden, langfristigen Konzepts zum Abbremsen des Klimawandels sein kann, wird in so sektoraler Betrachtung angreifbar: Immer kann die jeweils entsprechende Lobby darauf verweisen, dass sie doch "nur" soundsoviel Prozent zum Treibhausgas-Potential beitrage.

Am wenigstens ist der Einzelne berufen, die Welt zu retten, das wäre blanke Hybris. Eine andere Frage ist, ob er sich wohlfühlt in seiner Haut mit einer miesen Kohlendioxid-Bilanz. Wer in den wohlhabenden, westlichen Industriestaaten auf seinem Recht beharrt, das Treibhaus überproportional anzuheizen, propagiert letztlich globale Apartheid.

Fast schon grotesk ist der Verweis auf die immer mehr Schadstoffe produzierenden Boom-Nationen China und Indien. Welchen Anreiz hätten diese und andere Staaten, ihr Wachstum und ihren Wohlstand auf andere Weise zu schaffen, wenn noch nicht einmal die Reichsten der Erde dazu fähig und bereit sind?

Andererseits fühlt sich hier so mancher wohl in seiner Haut, obwohl er dazu keinen Grund hat.

Dem Klima ist es völlig egal, ob einer eine weite Reise macht, um fremde Kulturen zu studieren, den tropischen Regenwald zu bewundern oder ein Geschäft abzuschließen. Die Kohlendioxid-Bilanz ist unbestechlich, und so ein Langstreckenflug lässt sich schwerlich kompensieren mit wassersparenden Duschköpfen und Heizungsreglern.

"Schuld und Sühne", unter diesem Motto steht ein neuerdings beliebter Ablasshandel: Man zahlt einen freiwilligen Obolus, der irgendwo irgendetwas zum Schutz des Klimas beiträgt.

Natürlich ist das allemal besser als nichts, suggeriert aber auch, man könne mit geringen Mitteln und ohne jede Veränderung seiner Konsum- und Lebensgewohnheiten den Klimawandel aufhalten.

Das wird nicht funktionieren. Zu gewaltig ist die Aufgabe, energisch den Pfad zu beschreiten , an dessen Ende eine kohlenstofffreie Wirtschaft stehen muss. Die Deutschen, und nicht nur sie, sorgen sich sehr um die Umwelt, das belegen alle Umfragen. Je konkreter die Sache aber wird, desto mehr wächst die Zurückhaltung.

Politik kann sich also nicht darauf verlassen, dass sich möglichst viele schon unwohl fühlen in ihrer Haut.

Politik hat Rahmenbedingungen zu schaffen, die für alle gelten.

Je marktwirtschaftlicher die Mittel zum Erreichen des Ziels sind, umso besser passen sie ins System. Und der Markt ist in der EU weitgehend ein europäischer Markt.

In den nächsten ein, zwei Jahren wird sich zeigen, ob die Staaten in der Union zum Schutz des Klimas fähig sind. Steuerungsinstrumente sind Steuern, der Handel mit Verschmutzungsrechten und, wenn diese Mittel versagen, Effizienz-Vorgaben für Geräte, Motoren, Haustechnik aller Art. Exemplarisch zeigt sich das im Verkehr.

Dass die Fliegerei eine Wachstumsbranche ist, dient per se als Rechtfertigung, dieses Wachstum zu fördern. Klimaschutz erfordert just das Gegenteil.

Klimaschutz erfordert auch, die Automobilität so zu organisieren, dass weniger Treibhausgase entstehen.

Bedingungen, die für alle gelten, bedeuten nicht, dass sie alle gleich treffen. Höhere Steuern auf Kerosin und Autosprit belasten am stärksten Menschen mit niedrigem Einkommen. Derlei Ungleichheit sorgt aber immer dann für besonders viel Unruhe, wenn mit ihr Umweltgüter geschützt werden.

Dass sich die weniger Wohlhabenden auch keine teure Nahrung und keine exquisiten Möbel leisten können, gilt dagegen als völlig normal. Überhaupt ist die Frage, ob die Ungerechtigkeit in einer Gesellschaft auf der Konsumebene festzumachen ist, also dort, wo Verbrauchssteuern ein Gut verteuern.

Gesetzt den Fall, viele Güter und Dienstleistungen würden dadurch zu einem Privileg für wenige, dann ist schon die Einkommensverteilung ungerecht.

Das derzeitige Stimmungsklima ist eine große Chance, nicht nur in Europa, auch in den USA. Wenn diese Chance nicht ergriffen wird, haben die Skeptiker recht.

Es müsste dann erst noch schlimmer kommen, aber auch das ist klar: je später das Umsteuern erfolgt, desto schmerzlicher wird es für alle.

© SZ vom 6.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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