Flugsicherheit in den USA:Seien Sie einfach harmlos!

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Auf US-Flughäfen sind Tausende Beamte damit beschäftigt, potentielle Terroristen an ihrer Mimik und ihrem Verhalten zu erkennen. Dabei treffen sie oft die Falschen.

Daniela Dau

Den jungen Mann hält es nicht auf seinem Stuhl. Immer wieder steht er auf und blickt in der Abflughalle des Flughafens Dulles nordwestlich der US-Hauptstadt Washington umher. Nervös klopft er mit dem Fuß auf den Boden, kaut an den Fingernägeln und schlägt mit der anderen Hand den Boardingpass gegen die Brust.

(Foto: Foto: John Foxx)

Der Beamte der Transportation Security Administration (TSA) hat genug gesehen: Er bittet den Flugpassagier auf die Seite zum Gespräch.

Diese Szene läuft so oder so ähnlich mittlerweile täglich auf US-Flughäfen ab. Rund 2000 von der TSA speziell geschulte Beamte sind in den Terminals mit sogenannter Verhaltenserkennung beauftragt. Innerhalb des nächsten Jahres werden noch einmal 600 dazukommen, berichtet die Zeitung USA Today.

Die Beamten sollen potentielle Gewalttäter oder Terroristen bereits am Flughafen ausmachen und notfalls am Besteigen des Flugzeugs hindern - und zwar nicht nur aufgrund ihres Verhaltens sondern vor allem anhand ihres Gesichtsausdrucks.

Wer auffällig verärgert die Stirn in Falten legt, sich mit großen Augen umschaut oder nervös die Lippen aufeinanderpresst, riskiert, zur Seite genommen zu werden. Das kann dem Raucher auf Entzug genauso passieren wie dem Reisenden mit extremer Flugangst.

Dann beobachten die Beamten noch einmal ganz genau: Wie reagiert der Passagier auf harmlose Fragen wie "Wohin reisen Sie?" oder "Wie geht es Ihnen heute?". Weichen seine Stimme, seine Körperhaltung, sein Verhalten von der Norm ab?

Grundlage für die Ausbildung der TSA-Beamten sind unter anderem die Forschungen des Psychologen Paul Ekman von der University of San Francisco. Mit dem von ihm entwickelten "Facial Action Coding System" lassen sich die sechs Grundemotionen Freude, Wut, Ekel, Furcht, Traurigkeit und Überraschung im Gesichtsausdruck relativ einfach einstufen.

Allerdings betont Ekman, dessen Firma die TSA-Beamten in Interviewführung schult, dass es bei seiner Methode nur um sichtbare Emotionen geht, die im Gespräch entstehen, nicht um solche, die sich in Gesichtern von Menschen abspielen, die sich unbeobachtet fühlen.

Seit Januar 2006 hat die TSA solche Befragungen mit 43.000 von rund 750 Millionen Fluggästen durchgeführt. Bei 3100 holten die TSA-Beamten weitere Informationen bei der Polizei ein. 278 wurden verhaftet, die meisten wegen Verletzung von Einwanderungsgesetzen, Waffen- und Drogenbesitz. Konkrete Terrorpläne konnten niemandem nachgewiesen werden.

Trotzdem feiert Kip Hawley, der Chef der Heimatschutzbehörde in den USA, das Programm als "extrem erfolgreich". Wenigstens einer der Befragten habe den Behörden bedeutsame Informationen verschafft und viele der Übrigen hätten zumindest eine terroristische Absicht haben können: Sie waren mit gefälschten Papieren unterwegs oder hatten offensichtlich Flughafenanlagen ausgespäht. All diese Informationen sind nun in einer Datenbank der Regierung gespeichert.

Ein Gräuel für die Datenschützer unter den Kritikern der neuen Sicherheitsstrategie. Bürgerrechtler wie zum Beispiel die American Civil Liberties Union (ACLU) bemängeln den immensen Aufwand und die vergleichsweise geringe Anzahl von Verhaftungen. Wieder andere weisen darauf hin, wie leicht sich speziell geschulte Terroristen ein unauffälliges Verhalten aneignen könnten. Und James Zogby, Vorstand des Arabisch-Amerikanischen Instituts, unterstützt zwar die Maßnahme der Verhaltenserkennung, fürchtet aber, dass unabhängig vom auffälligen Verhalten allein ethnische Merkmale verdächtig machen könnten.

Der junge Mann vom Flughafen Dulles konnte sein Verhalten übrigens schnell aufklären. Er warte auf seinen Bruder, plauderte er drauflos, der kurz vor Abflug noch schnell etwas besorgen wollte und es sei sein erster Flug überhaupt.

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