Extrem-Bergsteigen:Einmal Himmel und zurück

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Christoph Hainz ist Bergführer aus Südtirol. Reinhold Messner bezeichnet ihn als einen Pionier. Jetzt erzählt Hainz von seinen Touren durch die Dolomiten - mit atemberaubenden Bildern.

Stefan Wolf

Ein bisschen verloren wirkt er schon, dort hinter dem Rednerpult. Gerade hat die Bergsteiger-Legende Reinhold Messner eine Laudatio auf ihn gehalten. Als einen Alpinisten von nie dagewesener Art hat ihn Messner beschrieben.

Doch jetzt muss Christoph Hainz selbst etwas sagen. So richtig wohl fühlt er sich dabei nicht, und das gibt er auch zu: "Ich bin als Bergsteiger nicht ungeschickt, aber ich bin nicht zum Redner geboren." Dann dankt er Messner und seiner Frau Claudia.

Dass Christoph Hainz selbst sich als "nicht ungeschickt" bezeichnet, ist die reine Tiefstapelei: Der Südtiroler ist Berg- und Skiführer, Wettkampf -und Große-Wand-Kletterer. Seit 22 Jahren klettert er. Als 20-Jähriger entdeckte er seine Leidenschaft für das Klettern, 1990 gab er seinen Job als Kfz-Mechaniker auf und machte seine Berufung zum Beruf.

Nichts für Flachlandtiroler

Nun steht er in München im Foyer des BLV-Verlages und stellt sein Buch "Ausstieg in die Senkrechte" vor. Darin hat er Touren und Geschichten aus seiner Heimat gesammelt.

Reinhold Messner hat das Vorwort geschrieben. "Südtirol mit seinen Dolomiten ist eines der schönsten Gebiete der Alpen", hat Messner in seiner Rede gesagt. Und Christoph Hainz sei ein Pionier, der die großen Wände dort wiederentdeckt hat, die in den 30er Jahren erklommen wurden. "Hainz vertritt das Südtiroler Bergsteigen in der ganzen Weltszene."

Wie ein Pionier oder ein Abenteurer sieht er auf den ersten Blick gar nicht aus. Er wirkt eher unscheinbar. Doch gleich wird sich zeigen, dass der erste Eindruck täuscht. Gewaltig sogar. Denn die Bilder, die Hainz mitgebracht hat, sind atemberaubend.

Als der Beamer läuft, wird der Vater zweier Kinder souveräner. Dann erzählt er Geschichten, die "Flachlandtiroler" erschaudern lassen.

Mal eben die Eiger Nordwand hinauf

Zum Beispiel von der spontanen Solo-Besteigung der Eiger Nordwand. Christoph Hainz, der 1962 in Mühltal zur Welt kam, redet davon, als sei er Spazieren gewesen. Er war gerade in der Nähe, die Wetterbedingungen waren gut und die Ausrüstung hatte er vorsorglich dabei.

Also hinderte ihn nichts daran, mal eben in viereinhalb Stunden auf den Gipfel des Eiger und wieder hinab zu klettern. "Ich habe dabei zwei Seilschaften überholt. Die dachten wohl, sie sehen einen Geist, oder so", erzählt Hainz.

Als er oben angekommen war, aß er seine Schokolade, trank seinen Tee und freute sich. "So, was jetzt", habe er sich gedacht. Am besten schnell wieder runter, um die letzte Bahn zu kriegen. "Die Schweizer fahren immer pünktlich." Gerade noch habe er sie erreicht. Als sein Freund dem Schaffner sagte, dass Hainz gerade die Eiger Nordwand bezwungen habe, erließ dieser ihm den Ticketpreis. "Das rechne ich dem Mann heute noch hoch an."

Nächstes Bild. Und wieder eine Geschichte: "Hier muss ich gerade einen Griff erreichen, der weit weg ist. Ich wusste nicht, ob er hält. Ich stelle mich im Kopf darauf ein, dass ich stürze", sagt Hainz.

Nächstes Bild: "Das war eine Tour, da hatte ich Krämpfe im Arm. Ich konnte ihn nicht mehr normal bewegen. Das fand ich schon bedenklich." Er fasst sich an den Ellenbogen und streckt seinen Arm aus.

Das folgende Foto zeigt Hainz, wie er an einer Felswand hängt. Er sieht erschöpft aus. Es ist schon dunkel. "Hier habe ich mir gedacht: Liegen kannst du eh nicht. Also habe ich mich auf Schlafen im Stehen eingestellt" - an einer Felswand hängend. Hainz: "Gerade angenehm war das nicht."

Einmal ist ihm beim Klettern der Schuh runtergefallen. Also hat er sich den Fuß mit Tape-Band abgeklebt und ist barfuß wieder abgestiegen. Das erzählt er so nebenbei.

An den Berg anpassen

Doch Hainz berichtet nicht nur von Heldengeschichten, er relativiert auch. Er erzählt von Kollegen und Freunden, die in den Bergen den Tod gefunden haben.

Auch für ihn habe es eine Zeit gegeben, da war er der Meinung: Eine Wand nicht zu bezwingen, das gibt es nicht. "Ich war wohl etwas überdreht", sagt er. "Wir müssen uns an den Berg anpassen, nicht der Berg an uns."

Oder an Eissäulen. Ein Bild zeigt den Extrem-Bergsteiger, wie er an einem acht Meter hohen Eiszapfen hinaufklettert - ohne Sicherung. Hätte er einen Eispickel benutzt, wäre das Eis wahrscheinlich gebrochen. "Das sind Momente, in denen klar wird: Ich mach das jetzt oder nicht. Das muss man entscheiden. Es gibt immer ein Restrisiko, das weiß jeder Bergsteiger."

Bei Christoph Hainz klingt das wie Alltag. Als er seinen Vortrag beendet, lächelt er erleichtert. Für einen der Dolomitenwände scheinbar locker bezwingt, wirkt er nach seiner Rede seltsam geschafft.

Das Band "Ausstieg in die Senkrechte" von Christoph Hainz, mit einem Vorwort von Reinhold Messner ist beim BLV-Buchverlag in München erschienen. Es kostet 35 Euro.

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