Eventzone Mauer:Bollwerk der Belustigung

Lesezeit: 3 min

Skater Danny Way 2007 bei seinem Sprung über die Mauer. (Foto: Reuters)

Party, Sport und Prominenz: Die Mauer war schon Putting Green, Catwalk, Kunstprojekt und ist auf dem besten Wege, zum chinesischen Jakobsweg zu werden.

Von Philipp Mattheis

Mit einer Gesamtlänge von fast 9000 Kilometern ist die Chinesische Mauer das einzige Bauwerk, das vom Mond aus mit bloßem Auge zu erkennen ist. So lautet zumindest das Gerücht. Aber wer einmal von den 2000 Jahre alten Steinen auf die mongolischen Hügel geblickt hat, versteht, warum es sich so hartnäckig hält. Die Große Mauer symbolisiert das Großartigste und gleichzeitig das Absurdeste, wozu Menschen imstande sind. Die Mauer ist größtenteils verfallen - viele der gut erhaltenen oder restaurierten Teilstücke befinden sich rund um Peking, wo sich ein reger Tourismus entwickelt hat. Die Mauer wird mittlerweile so gnadenlos vermarktet wie der Jakobsweg: Für jeden ist etwas dabei. Nachstehend ein paar Vorschläge.

Hinkommen

Es gibt ein grundsätzliches Dilemma mit den Sehenswürdigkeiten in China: Sie sind entweder kaum zugänglich, in schlechtem Zustand oder total mit einheimischen Touristen überlaufen. Auf keinen Fall besuchen sollte man die Mauer während der beiden Ferienwochen im Herbst und um das chinesische Neujahrsfest. Doch auch außerhalb dieser beiden Wochen lohnt es sich, die Massen zu meiden. Anstatt sich einer organisierten Tour anzuschließen, fährt man zum Beispiel besser mit dem Taxi nach Simatai. Für rund 100 Euro fährt einen der Fahrer hin und zurück, und zwar, wann man will, und nicht, wenn die Tourleiterin in ihr Megafon brüllt.

Laufen

Läuft man bei einem Marathon auf der Großen Mauer eigentlich? Oder klettert man nicht eher? Es gibt Bilder von Läufern, wie sie die Stufen auf allen Vieren nach oben kraxeln. Aufgrund der Steigungen gehört der Mauer-Marathon zu den härtesten der Welt. Und: Wie ist das mit der Luft? Auf beide Fragen gibt es keine eindeutige Antwort. Immerhin: Die fünf Marathons finden alle im Frühjahr und Herbst statt - geheizt wird nicht mehr, und es ist noch nicht so heiß, dass 20 Millionen Pekinger ihre Klimaanlagen anschmeißen. Die Wahrscheinlichkeit, gute Luft zu erwischen, ist also höher. Der nächste Mauer-Lauf findet im Mai 2017 statt ( great-wall-marathon.com).

Essen

Die australisch-neuseeländische Handelskammer organisiert jedes Jahr ein mittlerweile berühmtes Dinner auf der Großen Mauer. Da es eher unwahrscheinlich ist, dorthin eingeladen zu werden, muss man auf andere Optionen ausweichen. In Mutianyu, einem sehr gut erhaltenen Abschnitt 70 Kilometer nordöstlich von Peking, hat ein Ehepaar ein altes Schulhaus ("The Schoolhouse") und eine Fliesenfabrik ("The Brickyard") restauriert und daraus ein Hotel und Restaurants gemacht, die lokale Küche auf hohem Niveau anbieten ( theschoolhouseatmutianyu.com).

Schlafen 2002 entwarfen zwölf asiatische Architekten für die Biennale in Venedig insgesamt 40 Villen - die Bauwerke wurden schon mal als "Neues Architektur-Wunder Chinas" bezeichnet. Heute beherbergt die Hotel-Anlage namens "Commune by the Great Wall" in den Shuiguan-Bergen, entworfen vom südkoreanischen Architekten Seung H-sang, 40 nicht ganz billige Suiten, auch die wurden von Designern gestaltet. Von dort aus hat man einen exklusiven Zugang zu einem nicht restaurierten Mauerabschnitt ( commune.sohochina.com/en). Radeln Radtouren werden mittlerweile viele angeboten - allerdings kann man auf der Mauer selbst nur kurze Strecken fahren. Die Touren führen meist an der Mauer entlang ( cyclechina.com, bikebeijing.com).

Heiraten und fliegen

Hochzeit auf der Mauer? Auch dafür haben lokale Wedding Planner eine Lösung im Portfolio ( homeofthegreatwall.com/index .php/weddings). Sogar einfliegen kann man zum schönsten Tag des Lebens: HNA Helicopters bietet einen Hubschrauber-Service, die Viertelstunde gibt es ab etwa 200 Euro ( greatwallhelicoptertours.com).

Skaten

2005 ließ Danny Way auf beiden Seiten eine riesige Rampe errichten, um dann mit einem Skateboard über die Große Mauer zu springen. Kann man machen, muss man nicht. Möglich ist Mauer-Skaten jetzt in der Provinz Liaoning. Da haben ein paar Beamte ihre Vorstellungen von Restaurierung etwas eigenwillig umgesetzt: Sie übergossen die Steine einfach mit Zement, was zu einem Aufschrei in Chinas sozialen Medien führte. "Chabuduo", nennt man das in China - frei übersetzt bedeutet das "passt schon irgendwie".

Sehen

Keine Lust, nach China zu fliegen? Man kann auch ins Kino gehen. Mitte Februar kommt Zhang Yimous neuestes Machtwerk in die Kinos: eine wieder einmal mega-pompöse Heldensaga. In "The Great Wall" muss die Zivilisation auf der Großen Mauer gegen - Barbaren? Echsen? Aliens? - man weiß es noch nicht genau, verteidigt werden. Das geschieht wie in allen Zhang-Filmen in gigantischen Materialschlachten und unter Einsatz übermenschlichen Heldenmuts. In der Hauptrolle Matt Damon, der sich bereits im Vorfeld für den Ethnozentrismus des Films rechtfertigen musste. Warum muss ausgerechnet ein Westler die Heldenrolle spielen, wenn es um das chinesische Nationalsymbol geht?

© SZ vom 10.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: