Ende der Reise:Was kostet die Welt?

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Wer keine touristischen Sehenswürdigkeiten hat, der baut sich am besten selbst welche. Das hat schon beim Turm von Babylon funktioniert und bewährt sich jetzt in Dubai, wo man plötzlich Land zu Wasser macht statt umgekehrt.

Von Stefan Fischer

Natürlich war auch der Turmbau zu Babel ein touristisches Projekt. Anders lassen sich monströse Konstruktionen wie diese gar nicht refinanzieren. Aber es geht nicht nur darum, die Kosten einer solchen Investition wieder hereinzuwirtschaften. Attraktionen locken Besucher, und die lassen ihre Denare und Taler, Rubel und Dollar in einer Zahl am Ort, dass man etwa in diesem Fall fünf Türme hätte bauen können. Dem alten Babylon hat es nicht einmal geschadet, dass der eine Turm nie vollendet wurde. Hätte es den "Lonely Planet" bereits im Altertum gegeben, die Stadt wäre trotz der Chaos-Baustelle, die selbst die des Berliner Flughafens in den Schatten stellt, stets unter den Top-Ten-Reisezielen gelistet worden.

Selbstredend hat das Prinzip Nachahmer gefunden. Schließlich ist längst nicht jeder mit einer natürlichen Sehenswürdigkeit gesegnet, etwa einem Grand Canyon oder seltenen Schmetterlingsarten. Viele müssen nachhelfen. Die Ägypter haben Pyramiden aufgeschichtet - die statisch feigere Variante des babylonischen Turmes -, um zu einem Reiseziel zu werden. Nördlich von Belgien wurde ein ganzes Land aus dem Meeresboden gestampft, damit man Coffeeshops draufbauen und damit Kiffer anlocken kann. Venedig wiederum hat man einfach im Wasser errichtet, eine elende Viecherei, aber seither verdient sich die Stadt dumm und dämlich an den Touristen. Und die Malediven bauen schon jetzt Restaurants und Resorts unter Wasser, weil dort ohnehin die Zukunft des Inselstaates liegt.

Besonders eifrig macht Dubai Wasser zu Land - und nun auch Land zu Wasser. Beides gab es in dem Emirat schon immer, aber offenkundig kommen Urlauber erst, seit der viele Sand in Form einer Palme vor die Küste drapiert worden ist. Die Welt aus Sand zu modellieren, ist hingegen gescheitert, das ist Dubais Babel-Turm. Nun ist ein Kanal eröffnet worden, denn seit man draußen im Meer wohnt, braucht man das Festland, um künftig noch Schifferl fahren zu können. An dem Wasserweg werden Hotels und Restaurants angesiedelt, 30 Millionen zusätzliche Gäste soll das jährlich bringen - ließe jeder nur 25 Euro im Land, hätte sich der Kanal dennoch binnen Jahresfrist amortisiert.

Hat eigentlich schon einmal jemand ausgerechnet - nein, nicht was es kostet, sondern einbringen würde -, wenn eine Million zusätzliche Touristen Neuschwanstein besuchen würden, weil sie sich über einen noch anzulegenden See romantisch bis ans Schlosstor rudern lassen könnten?

© SZ vom 17.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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