Ende der Reise:Vorneweg statt nur dabei

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Migranten integrieren sich schlecht in die deutsche Gesellschaft? Von wegen, sie übertreffen die alteingesessenen Teutonen sogar noch in einem ihrer ureigensten Merkmale: dem Reisefieber.

Von Stefan Fischer

Deutschland ist auch deshalb Fußball-Weltmeister geworden, weil in der Nationalmannschaft Spieler mit polnischer, türkischer, tunesischer, albanischer und ghanaischer Abstammung mitgekickt haben. Den Titel des Reiseweltmeisters mussten die Deutschen unterdessen an China abtreten - der Wohlstand ist dort inzwischen so groß, dass 1,4 Milliarden Chinesen mehr Geld für Auslandsreisen ausgeben als 82 Millionen Deutsche. Zeitweilig lagen auch die USA vor dem entthronten Weltmeister, was aber vor allem an Wechselkursschwankungen lag - die Ausgaben werden in US-Dollar umgerechnet. Eine billige Ausrede, mag man einwenden. Und auch das Argument, dass die Reiseausgaben pro Kopf in Deutschland immer noch weltweit die höchsten sind und deshalb der Weltmeistertitel zu Unrecht den Chinesen zuerkannt . . .

Alles Schönrechnerei. Den Reiseweltmeistertitel kann Deutschland nur dann wieder erringen, wenn die gesamte Nation es der Nationalmannschaft gleich tut. Das Land braucht mehr Migranten, denn in Deutschland lebende Migranten reisen schlichtweg mehr. 87 Prozent von ihnen haben im vergangenen Jahr eine Urlaubsreise von mindestens fünf Tagen Dauer unternommen, unter den Alteingesessenen waren es nur 76 Prozent. Das beliebteste Reiseziel der Migranten ist ihr jeweiliges Heimatland beziehungsweise das ihrer Vorfahren. Und doch könnten sie deutscher und integrierter kaum sein, denn abgesehen von dieser nachvollziehbaren Abweichung fliegen sie Seit' an Seit' mit den teutonischen Ureinwohnern nach Spanien oder fahren durch Deutschland.

Klar können die mehr reisen, schließlich nehmen die uns die Arbeitsplätze weg, schallt es nun bestimmt gleich aus Sachsen herüber, das längst wieder zum Tal der Ahnungslosen geworden ist. Und einem darüber fremd. Wäre es deshalb nicht vielleicht konsequent und obendrein der weltmeisterlichen Statistik dienlich, etwa den Besuch der Leipziger Buchmesse neulich als Auslandsreise zu verbuchen? Nein? Na ja, war auch nur so eine Idee.

© SZ vom 24.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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