Ende der Reise:Uns kann nichts passieren

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Wir Deutschen mögen es, wenn unsere Leben in gesicherten Bahnen verlaufen. Deshalb werden wir, zurück aus Spanien oder von der Ostsee, auch dieselbe Kanzlerin wie immer wählen. Oder wagen wir Ende September doch die Revolution?

Von Stefan Fischer

Ehe wir Deutschen eine Revolution an einem Bahnhof anzetteln würden, so sagt man uns nach, würden wir uns erst noch allesamt Bahnsteigkarten kaufen. Ein Mindestmaß an Ordnung müsse schließlich in jeder Lebenslage sein. Dabei stimmt das mit der Bahnsteigkarte gar nicht - allerdings nur deshalb nicht, weil es längst keine Bahnsteigkarten mehr gibt.

Was dagegen schon stimmt: Mehrheitlich mögen wir es nun einmal, wenn unsere Leben in gesicherten Bahnen verlaufen. Zumindest war das bis zuletzt der Eindruck, den wir von uns haben konnten. Bloß kein Risiko eingehen, das ist unser Motto: Deshalb fahren wir auch nicht mehr in die Türkei in den Urlaub, und wenn wir dann aus Spanien oder von der Ostsee zurück sind, werden wir dieselbe Kanzlerin wie immer wählen.

Oder wagen wir Ende September doch die Revolution? Und ist die Nachricht, die uns dieser Tage erreicht hat, ein erster Hinweis darauf, dass sich Entscheidendes verändert in uns? Ein renommiertes Meinungsforschungsinstitut hat bei uns Sicherheitsfanatikern erfragt, dass exakt die Hälfte derer, die jenseits von Nordsee und Voralpenland verreisen, eine Auslands-Krankenversicherung abschließen. Das bedeutet im Umkehrschluss aber nichts anderes, als dass die zweite Hälfte das nicht tut! Sind wir jetzt von allen guten Geistern verlassen, tolldreist und lebensmüde?

Was da schließlich alles passieren kann in der Fremde! Den Knöchel verstaucht, weil man dem Taschendieb nachsetzt. Den Magen verrenkt, weil sie nicht so kochen wie daheim. Dazu ein Sonnenstich, weil der Mann, der die Schirme vermietet, ein Wucherer ist. Und eine ausgekugelte Schulter, weil es doch gelacht wäre, wenn man das mit dem Surfen nicht doch noch eines Tages lernen würde.

Wenn man diese Behandlungskosten selbst bezahlen müsste, wäre man doch ruiniert! Die neuen Waghalsigen reden sich die Gefahr derweil schön: Wir seien doch ohnehin alle krankenversichert, argumentieren sie. Eine Spekulation ohne Netz und doppelten Boden. Vielleicht sollten wir überhaupt nur noch nach Usedom fahren. Zumindest solange die formale Annexion Mallorcas weiter auf sich warten lässt.

© SZ vom 10.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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