Ende der Reise:Neue Bescheidenheit

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Da hat man den Kindern im toskanischen Agriturismo die nachhaltige Erzeugung von Lebensmitteln und in der Serengeti ihre privilegierte Herkunft nahegebracht. Und nun buchen sie Pauschalurlaub. Geht's noch?

Von Stefan Fischer

Es ist davon auszugehen, dass bereits Adam und Eva über die Nachgeborenen geschimpft haben. Über ihre Söhne Kain und Abel also und demnach über die Jugend schlechthin. An diesem Automatismus hat sich nichts geändert, die Alten halten tendenziell nicht besonders viel von den Jungen. Bislang wurden auch die immer gleichen Argumente bemüht: Zu ungestüm, zu aufsässig, zu wenig ernsthaft seien die Jungen.

Zumindest das scheint sich geändert zu haben. An der Kasse im Biosupermarkt lamentieren Eltern inzwischen häufig über die Spießigkeit ihrer jüngst von zu Hause ausgezogenen Kinder. Da ist man zwei Jahrzehnte lang mit ihnen über die Alpen geradelt, hat ihnen im toskanischen Agriturismo die nachhaltige Erzeugung von Lebensmitteln und auf einer Walking Safari in der Serengeti ihre privilegierte Herkunft nahegebracht. Und jetzt buchen sie antriebslos zwei Wochen Pauschalurlaub auf Mallorca oder in der Türkei. Geht's noch?

Als die Tourismusforscher im März ihre Zahlen vorgestellt haben, war das die große Überraschung: Noch nie haben so viele Deutsche, die unter 30 Jahre alt sind, Pauschalreisen gebucht. Ein Ausreißer in der Statistik, vielleicht sogar ein Rechenfehler, mochte man denken. Diese Generation trampt doch durch Afrika, radelt und segelt um die Welt oder impft auf der Durchreise Kinder in Lateinamerika.

Doch der Trend bestätigt sich, das zeigen aktuelle Zahlen. Die Jungen haben mehrheitlich scheinbar keine Neugier auf die Welt. Stattdessen sollen das Essen, die Gesichter, der Alltag sein wie daheim, bloß bei schönerem Wetter und als All-inclusive-Paket. Vielleicht aber haben die Jungen als Jugendliche schon genug gesehen. Müssen also weder sich noch anderen mehr etwas beweisen oder vormachen. Und ersparen obendrein Unterprivilegierten auf der ganzen Welt, den Touristen ihr Leben als Folklore vermarkten zu müssen.

© SZ vom 13.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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