Ende der Reise:Federn frei

Lesezeit: 2 min

In Japan haben sie einen neuen Trend erkannt: Mitmachen statt glotzen! In der Nähe von Tokio, in der Stadt Ito, werden jetzt Wettkämpfe in Kissenschlachten ausgetragen. Das Dumme daran ist nur: Es gibt weitaus mehr Interessenten, als Startplätze zur Verfügung stehen.

Von Stefan Fischer

Sport und Tourismus, das ist eine zwiespältige Melange. Von der Ausrichtung großer Turniere erhoffen sich etliche Städte und nicht selten ganze Länder einen gewaltigen Popularitätsschub. Der sich bitteschön recht prompt in rasant steigenden Besucherzahlen und folglich - darauf kommt es an - in deutlich wachsenden Einnahmen aus dem Tourismus niederschlagen soll.

In Barcelona hat das im Anschluss an die Olympischen Sommerspiele 1992 dermaßen einwandfrei geklappt, dass der Tourismus dort längst zu einer Plage geworden ist, wie sie die Katalanen in diesem Ausmaß nicht einmal den verhassten Hauptstädtern aus Madrid an den Hals wünschen würden.

Das aber ist die Ausnahme. In der Regel gilt: Der Plan "Sportler locken Touristen" geht eher nicht auf. London zum Beispiel war seit dem Großen Brand im Jahr 1666 nicht mehr so leer wie während der Olympischen Spiele vor sechs Jahren. Alle dachten, es wird unglaublich voll, also haben Hunderttausende Touristen die Stadt gemieden - wegen ein paar Zehntausend Sportfans. Rio de Janeiro wiederum ist seit Olympia 2012 dermaßen bankrott, dass der Tourismus der Stadt selbst in den kommenden hundert Jahren nicht wieder auf die Beine wird helfen können. Und im nächsten Winter wird kaum noch einer wissen, wie die Stadt mit dem komischen Namen hieß, in der eben noch die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft gefühlt Olympiasieger geworden ist - und dementsprechend auch nicht nach Nord-Südkorea reisen. Was täte man dann auch dort, so ganz ohne Laura Dahlmeier, Andreas Wellinger und Danny aus den Birken?

Und haben eigentlich schon mehr als drei Dutzend Hardcore-Fans eine Russlandreise organisiert, im Sommer, zur Fußball-WM? Es ist, wie es ist: Für den Sport fährt der Tourist eher nicht in die Ferne. Jedenfalls dann nicht, wenn er - und das auch noch für teuer Geld - bloß Zuschauer sein soll. Dafür geht er nicht einmal mehr in den Stadtpark: Mehrere deutsche Städte jedenfalls haben angekündigt, in diesem Jahr während der Fußball-Weltmeisterschaft kein öffentliches Public Viewing anzubieten. Es rechnet sich offenbar nicht.

In Japan haben sie diese Zeichen der Zeit erkannt. Dummerweise müssen sie noch die Olympischen Spiele 2020 ausrichten, die sie vor Jahren an sich gerissen haben - wider besseres Wissen und auch noch unter dem verschwenderischen Einsatz dubioser Zahlungen. Parallel dazu bricht sich aber schon der neue Trend Bahn: mitmachen statt glotzen! Dann nämlich kommen die Leute. Um in der Stadt Ito, nicht weit von Tokio entfernt, Kissenschlachten auszukämpfen. Noch in einer Sporthalle, aber das geht natürlich in jedem Hotel, jedem Hostel, jeder Airbnb-Butze. Bei der jüngsten Meisterschaft sind Teilnehmer vergeblich angereist: Es gab mehr Interessenten als Startplätze. So schnell wird man in Ito der Besucher auch nicht überdrüssig werden: Wer mit Bettzeug um sich wirft, läuft nicht zugleich grölend durch die Altstadt.

© SZ vom 01.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: