Ende der Reise:Die Welt, durchs Bierglas gesehen

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Angesichts des Freizeitverhaltens vieler deutscher Urlauber stellt sich die drängende Frage: Warum verreisen die Menschen überhaupt, wenn sie doch bloß den lieben langen Tag trinken?

Von Stefan Fischer

Auf Hawaii mangelte es zu keiner Zeit an Bier, auch wenn Paul Kuhn beharrlich das Gegenteil besungen hat. Ob aber in Zukunft auf Bali noch Bier ausgeschenkt wird, ist derzeit fraglicher denn je: Zwei religiöse Parteien haben im indonesischen Parlament einen rigorosen Gesetzesentwurf vorgelegt, der vorsieht, Produktion, Verkauf und Konsum alkoholischer Getränke zu verbieten. Für den Tourismus auf Bali wäre dies das Ende. Der Leiter des indonesischen Hotel- und Restaurant-Verbandes zum Beispiel kennt seine Klientel: "Die Touristen trinken die ganze Zeit Alkohol. Es würde sehr unangenehm für sie sein, gäbe es keinen Alkohol", sagt der Mann mit dem schönen Namen Hariyadi Sukamdani. Nun kommt aber wohl auch auf Bali das Fressen vor der Moral; das strikte Alkoholverbot wird deshalb eher nicht Gesetz, da es die wirtschaftlichen Interessen des Landes torpediert.

Die Frage aber ist: Warum verreisen die Menschen überhaupt, wenn sie doch bloß den lieben langen Tag trinken? Denn Herrn Hariyadis Beobachtung lässt sich ebenso gut auf Mallorca und Novalja, Kuba und die Toskana und überhaupt auf nahezu jeden beliebigen Ort übertragen. Die Touristen törggelen und heurigen, vom Sektfrühstück bis zum Sundowner geben sie die Gläser nicht aus der Hand. Können sie die Fremde nur im Rausch ertragen?

Mitnichten. Das Trinken auf Reisen ist eine lästige Notwendigkeit. Um im Training zu bleiben, so wie Leistungssportler auf den einen Wettkampf alle vier Jahre hinarbeiten bei Olympischen oder Paralympischen Spielen. Nur dass Touristen einem solchen Höhepunkt alljährlich entgegenfiebern: der Reise aller Reisen, der einzigen, deren Hauptzweck tatsächlich das Trinken ist und nichts als das Trinken - dem Oktoberfest. Wer die Wiesn auskosten will, muss in den Wochen zuvor je nach Façon den Châteauneuf-du-Pape kisten- oder den Sangria eimerweise in sich hingeschüttet haben. Da sage noch einer, kaum ein Urlauber würde sich geflissentlich vorbereiten auf sein Reiseziel.

© SZ vom 22.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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