Ende der Reise:Die Welt als Streichelzoo

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Kroatienurlauber sind in diesem Sommer aufgerufen, Ausschau nach Delfinen zu halten. Die letzten Adria-Exemplare sollen besser geschützt werden. Angesichts der Tierliebe der Deutschen dürfte es eine lückenlose Dokumentation geben.

Von Stefan Fischer

Die Störche kehren aus Afrika zurück. Die Ringelgänse sammeln sich zu Zehntausenden entlang der deutschen Nordseeküste und insbesondere auf den Halligen, um nach ausgiebiger Rast weiterzufliegen nach Sibirien. Und die den Einheimischen längst lästigen Stare rotten sich einmal mehr in Rom zusammen, um von ihren Winter- in ihre Sommerquartiere überzusiedeln. All die Zugvögel setzen auch die Menschen in Bewegung, die diesen Frühlingsboten entgegenreisen - an den Bosporus etwa, den derzeit die Störche überfliegen, was einem Istanbul-Besuch zusätzlichen Reiz verleiht. Oder auf die Nordseeinseln, wo eine Schar gemütlicher Gänse den gemächlichen Alltag in ein gemächliches Spektakel verwandelt. Und wem der Sinn mehr nach dunklen Wolken steht als nach Erleuchtung durch den Heiligen Geist, der ist derzeit in Rom weit besser aufgehoben als in den Pfingstferien.

Hochsaison ist derzeit ebenfalls in Japan. Die Kirschbäume blühen, auch sie Boten des Frühlings. Menschen fliegen um die halbe Welt, um dieses Naturschauspiel zu bestaunen. Aber vielleicht hätten sich diese Touristen besser auch hier an die Tiere gehalten: In der Nähe von Tokio sind an zwei Stränden 150 Breitschnabeldelfine angespült worden. Die Japaner befürchten, dass auch sie Boten sind - eines nahenden Unglücks allerdings. Vor vier Jahren waren schon einmal Dutzende Delfine gestrandet, wenig später hat die Erde gebebt und jenen Tsunami ausgelöst, der zur Reaktorkatastrophe in Fukushima geführt hat. Den meisten Delfinen, die in den letzten Tagen angelandet sind, war bedauerlicherweise nicht mehr zu helfen.

Wo sich Tiere tummeln, sind stets auch Touristen

In der Adria wiederum gibt es kaum noch genügend Delfine, um eine Massenstrandung wie in Japan theoretisch möglich erscheinen zu lassen. Kroatien-Urlauber sind aufgerufen, Ausschau nach den letzten Exemplaren zu halten, um ihren Schutz verbessern zu können. Angesichts der Tierliebe der Deutschen dürfte eine lückenlose Dokumentation des Bestandes hinzubekommen sein. Diese Empathie zeigt sich aktuell auch wieder auf Mallorca, wo unlängst ein Kutschpferd gestürzt ist. Der Kutscher behauptet, das Tier sei auf einer Öllache ausgerutscht und längst wieder wohlauf, aufgebrachte Touristen unterdessen haben einen Hitzschlag diagnostiziert. Ratzfatz war eine Online-Petition aufgesetzt zum Verbot der Kutscherei in Palma, Tausende haben bereits unterzeichnet.

Wo Tiere sind, sind auch Touristen. Darauf spekulieren sogar die Menschen im entlegenen Altai-Gebirge, 500 Kilometer hinter Nowosibirsk. Schneeleoparden haben sich dort wieder angesiedelt. Die Wahrscheinlichkeit, eine der Raubkatzen zu Gesicht zu bekommen, macht aus einer Reise an die russisch-mongolische Grenze allerdings eine Loch-Ness-Nummer. Aber das ist das Schöne am Tier-Tourismus: Er funktioniert notfalls auch ohne Viecher.

© SZ vom 16.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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