Ende der Reise:Der Profi im Amateur

Lesezeit: 1 min

Menschen umgeben sich im Urlaub gerne mit Laien. So ist es nur konsequent, dass ein falscher Arzt auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs war.

Von Stefan Fischer

Am Arbeitsplatz, beim Einkaufen und in vielen weiteren Lebenslagen schimpfen die Menschen unentwegt über unprofessionelle Kollegen und Kassierer, Handwerker, Busfahrer oder Arzthelferinnen. Im Urlaub jedoch umgeben sie sich gerne mit Amateuren. Aus guten Gründen: Die Kellner am Halbpensionsbuffet auf Kreta haben ein halbes Berufsleben als Fischer, Landwirte oder Werftarbeiter hinter sich, ehe sie in der Gastronomie angelernt werden. Aber ihre Augen funkeln nun einmal wie die von Alexis Sorbas. Abends in der Kneipe in Barcelona bedient eine Studentin aus Estland. Sie ist umständlich und vergisst die Hälfte. Aber sie lächelt bezaubernd, auch macht sie sich nicht die professionelle Verachtung der gelernten Bier-Verkleckerer für den Gast zu eigen.

Vom Flughafen in San Francisco hat uns ein per App herbeizitierter Privatmann in unser Hotel chauffiert. Er hat keine Taxilizenz und ist nur beschränkt ortskundig, dafür sind seine Dienste billig. Und man darf in seinem Honda rauchen. Aber was heißt überhaupt Hotel: Die Menschen, bei denen wir inzwischen unsere Ferien auf Sylt oder in Rom verbringen, sind längst keine Hoteliers mehr, nicht einmal Campingplatzbetreiber. Sondern untervermietende Mieter mit einem Airbnb-Profil und der Aura des eingeborenen, den Pulsschlag des Urlaubsziels bestimmenden Bescheidwissers.

In dieser Touristenlogik ist es nur konsequent, dass sich ein dieser Tage verurteilter Hochstapler als Arzt ausgegeben hat, unter anderem auf Kreuzfahrtschiffen. Medikamente gegen Seekrankheit oder Sodbrennen verabreichen und bei der Abrechnung die Krankenkasse betrügen kann der so gut wie jeder promovierte Mediziner. Hauptsache, man verpasst weder den nächsten Landausflug noch das Captain's Dinner und kehrt rechtzeitig in die Kabine zurück, um seine Kinder zu Enrico, dem Clown, zu schicken. Dass der Animateur keine pädagogische Ausbildung hat, versteht sich von selbst.

© SZ vom 11.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: