Ende der Reise:Der Flug ist das Ziel

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Eine Woche auf Mallorca, ein Wochenende in Prag - woher soll man bitteschön so viel Zeit nehmen? Unsere Urlaube werden immer kürzer. Das hat Folgen.

Von Stefan Fischer

Zeit ist so kostbar, dass wir inzwischen nicht einmal mehr Zeit zum Verreisen haben. 14 Tage in Thailand, eine ganze Woche auf Mallorca, ein Brückentags-Wochenende in Prag - woher soll man bitteschön so viel Zeit nehmen? Unsere Urlaube werden notgedrungen immer kürzer; irgendwann, das ist gewiss, wird selbst die Fernreise auf einen Tagesausflug schrumpfen.

Ob die Fluggesellschaft British Airways die Zeichen der Zeit erkannt hat und sie auch richtig interpretiert, lässt sich nicht mit Entschiedenheit sagen. Denn vorerst war das nur eine einmalige PR-Aktion: Auf einem Flug von London nach Moskau sind Tänzer des Bolschoi-Theaters an Bord der Maschine aufgetreten, die Mezzosopranistin Katherine Jenkins hat dazu "Somewhere Over the Rainbow" gesungen. Auf Youtube kann man sich einen Film des Auftritts ansehen. Es ist noch nicht die ganz große Kunst, die da zu sehen ist, aber womöglich der Beginn von etwas ganz Großem. Es muss schließlich nicht bei ein paar grazilen Schritten in den engen Gängen und ein paar dezenten Hebefiguren unter der niedrigen Decke bleiben.

Der Flug ist das Ziel - das ist unausweichlich, wenn sich unsere Aufenthalte am Ferienort künftig nicht mehr in Tagen oder gar Wochen, sondern nur noch in Stunden bemessen lassen. Warum also nicht den Besuch eines Bolschoi-Balletts gleich an Bord des Flugzeugs erledigen? "Aida" im Mittelgang, der Chor in den Gepäckfächern; die ersten zwei Akte werden auf dem Hin-, die letzten beiden auf dem Rückflug aufgeführt. So bleibt einem in Verona genug Zeit, um rasch zum Romeo-und-Julia-Balkon zu hetzen, ehe die Opernpause mit dem Last-Boarding-Aufruf beendet wird.

Der Louvre wiederum könnte seine wichtigsten Gemälde in den TGV-Zügen aufhängen, die nach Paris fahren. Und warum es auf den Dächern von Fernbussen noch keine Pools gibt, weiß kein Mensch. Zoos und Szenerestaurants, schicke Läden und kleine Parkanlagen, alles ließe sich in die Transportmittel integrieren.

Und wenn es sein muss auf den Nachtflügen und in den Nachtzügen auch noch Boutique-Hotels. So gewinnen wir wertvolle Zeit. Und zwar desto mehr, je häufiger wir verreisen.

© SZ vom 10.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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