Wir wissen es längst alle besser. Trotzdem wollen wir es nicht wahrhaben. Und glauben deshalb wider alle Vernunft nach wie vor, dass ein Urlaub unbedingt der Erholung dienen würde. Dabei ist dies eine der großen Lügen des modernen Menschen im Allgemeinen und der Tourismusindustrie im Speziellen.
Die vergangenen Tage haben es uns eigentlich wieder vor Augen geführt. Die Reise zur Familie an Weihnachten: purer Stress - nicht nur vor Ort, sondern auch auf dem Weg dorthin (und wieder nach Hause). Die Autobahnen und die Züge voll, die Flughäfen überlastet. Also gleich wieder los, um Dampf abzulassen, für ein paar Wellnesstage in ein einschlägiges Hotel. Das Programm ist streng getaktet: Massage, Yoga, Laufband, Mittagessen, Laufband, Yoga, Massage. Von der einen Anwendung zu nächsten jeweils ein scharfer Sprint, um die Erholung nicht zu gefährden. Denn je mehr Wellness, desto höher das Wohlbefinden.
Zwischendurch: den Sommerurlaub buchen. Weil andernfalls alles voll ist auf Mallorca und die Frühbucherrabatte verschenkt würden. Danach sofort eine Extra-Behandlung buchen für die Finger-, Hand- und Ellbogengelenke, die beim Surfen auf den vielen Buchungs- und Vergleichsportalen arg in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Passt noch rein zwischen Yoga und Massage. Auf der Rückfahrt von dieser Tortur noch beim Sportfachgeschäft vorbei, die Ski abholen, die beim Wachsen und Kantenschleifen waren. Irgendwann wird es schneien, ganz gewiss, dann geht es kurz entschlossen und dennoch bestens präpariert in den Winter-Kurzurlaub. Seit Weihnachten schon befindet man sich im Stand-by-Modus, jederzeit startklar. Und beinahe hätte man es vergessen: Die Sekretärin hat gekündigt, um die drei Geschäftsreisen im Januar muss man sich ebenfalls selbst kümmern. Womöglich müssen wir uns also doch bei anderer Gelegenheit einmal erholen.