Donnerstag, 02. August 2001:Die Lava

Lesezeit: 1 min

Angelika Jung-Hüttl

9 Uhr

Die Lava ist besonders zäh und explosiv. (Foto: Foto: dpa)

Zu jeder vollen Stunde berichtet der lokale TV-Sender "Antenna Sicilia" live vom Ätna. Die Neun-Uhr-Nachrichten sind beunruhigend. Mehr Kieselsäure als bei früheren Ausbrüchen sei in der frischen Lava gefunden worden, sagt der Reporter. Viel Kieselsäure bedeutet: Die Lava ist besonders zäh - und somit explosiv. Deshalb sind auch die Ascheausbrüche so extrem wie in den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr.

14 Uhr

Fahrt nach Nicolosi zu C.O.M., dem "Centro Operatione Misto", um eine Akkreditierung zu erhalten. Hohe Eisenzäune und Menschen in Uniformen. Man schickt uns zu vier verschiedenen Stellen. Nach drei Stunden haben wir den Zettel in der Hand, der uns erlaubt, die Polizei-Abriegelungen zu passieren und die Bergstraße hinauf zu den gefährdeten Gebieten zu fahren.

19 Uhr

Vulkanstaub in den Ohren, den Augen und zwischen den Zähnen. Wie feiner Regen rieselt er herab aus der dunkelgrauen Wolke, die der Ätna permanent ausstößt. Wir sehen aus wie Kaminkehrer.

Wir stehen an der Sapienza in etwa 2000 Meter Höhe. 600 Meter weiter oben spuckt der neue Krater die gewaltigen Aschewolken aus. Das "Refugio Sapienza" ist einer der zwei Ausgangspunkte am Ätna für Bergtouren. Hierher konnte man bis vor wenigen Tagen noch mit Reisebussen fahren. Auch ein Skigebiet gibt es hier.

Damit ist es jetzt vorbei: Hier herrscht das Chaos. Schwere Raupen und Bagger schütten Dämme gegen die Lava auf. Wo noch vor drei Wochen große Busparkplätze, eine breite Straße und Liftanlagen waren, liegen jetzt mehrere mächtige, schwarze Lavaströme - Decken aus Meter hohem scharfkantigem Gestein, das noch warm ist und zu Fuß nicht zu überqueren. Das "Refugio Sapienza", die Seilbahnstation, einige kleine Bergrestaurants und Souvenirläden konnten die Dämme bisher vor der Lava schützen.

Die Motoren der Bagger und das Quietschen der Raupen übertönen die Detonationen aus dem neuen Krater. Lavabrocken schießen aus einer neuen "Bocca", einer frischen Öffnung in der Flanke des Ätna. Dort tritt der Lavastrom Richtung Nicolosi aus dem Berg.

Fliegende Steine und Strom, tagsüber schwarz, beginnen in der Dämmerung zu glühen. Um dorthin zu kommen, müssen wir einen Umweg von 30 Kilometer in Kauf nehmen. Das werden wir auf den frühen Morgen verschieben.

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