Die großen Flughäfen: London-Heathrow:Chaos an der Themse

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Verspätete Flüge, verlorenes Gepäck: Um den Ruf von London-Heathrow ist es nicht gerade gut bestellt. Ein neues spektakuläres Terminal soll jetzt endlich für Entspannung sorgen.

Andreas Spaeth

Es gibt unter den großen Flughäfen dieser Welt wohl keinen zweiten, der seiner chaotischen Zustände wegen von allen dermaßen gefürchtet wird. "Heathrow hassle" heißt eine stehende Redensart, die den Dauerärger der Passagiere auf dem Londoner Hauptflughafen beschreibt.

Allein die Zahlen machen das Problem deutlich: Im Jahr 2007 wurden 67,3 Millionen Fluggäste durch die veralteten Terminals geschleust - Gebäude, deren Gesamtkapazität nur für maximal 40 Millionen Passagiere ausgelegt ist. Nun soll das neue Terminal 5, das am 27. März eröffnet wird, endlich für Entspannung und positive Schlagzeilen sorgen; 5,6 Milliarden Euro hat der Bau gekostet, dessen Nutzfläche 50 Fußballfeldern entspricht.

Wie angespannt die Situation in London-Heathrow ist, zeigten exemplarisch die letzten Wochen. Nach einer Bruchlandung einer Boeing 777 der in Heathrow beheimateten Fluggesellschaft British Airways (BA) am 17. Januar kam es über Tage zu Verspätungen; Ende Februar dann brachen im 1986 eröffneten Terminal 4 beide Gepäck-Sortieranlagen zusammen - tagelanges Chaos war die Folge, Passagiere wurden aufgefordert, ohne Gepäck zu reisen.

Schließlich sorgten Anfang vergangener Woche vier Greenpeace-Aktivisten für Aufregung, als es ihnen gelang, auf einem der bestgesicherten Flughäfen der Welt am Heck eines BA-Airbus ein Poster mit der Aufschrift "Klima-Notstand - Keine dritte Bahn" zu entrollen. Da kam die vorerst letzte Meldung nicht mehr überraschend: Stephen Nelson, Chef des Flughafenbetreibers BAA und erst seit Juli 2006 im Amt, muss seinen Posten räumen.

"Heathrow hat es nie geschafft, dem rasanten Passagierwachstum Herr zu werden und ist deshalb seit der Eröffnung eine Baustelle", konstatiert Keith Hayward. Der pensionierte British-Airways-Mitarbeiter hat sein gesamtes Berufsleben auf dem Londoner Flughafen zugebracht und war dabei, als am 1. Januar 1946 der erste internationale Linienflug nach Buenos Aires startete.

Schon damals, als die Abfertigung noch in ehemaligen Militärzelten stattfand, gab es wie heute zwei Start- und Landebahnen. Und schon vor 62 Jahren wurde die Basis für die Probleme gelegt, denn: Der ursprünglich Great West Aerodrome genannte Flughafen war als großes Transportzentrum für die Royal Air Force geplant.

Die Anlage hatte die Form eines Davidsterns, mit einem Arrangement aus zwei Hauptbahnen und der Abfertigung im Zentralbereich. Bei dieser Infrastruktur ist es im Grundsatz geblieben und hat für die drangvolle Enge gesorgt, die Heathrow-Nutzer seit Jahrzehnten quält.

Lesen Sie weiter, wie man die Probleme in Heathrow lösen könnte.

Die Queen eröffnete 1955 das erste feste Abfertigungsgebäude, das heute Terminal 2 heißt und in diesem Jahr nach der Eröffnung des neuen Terminal 5 abgerissen werden soll. Weitere Komplexe folgten 1961, 1969 und 1986 - doch immer hinkten Planungen und Gebäude hinter dem Bedarf hinterher.

Heute operiert der Flughafen mit jährlich 469.560 Flugbewegungen absolut an der Grenze des Machbaren. Rund 90 Fluggesellschaften fliegen 186 Ziele an; kein anderer Flughafen der Welt fertigt so viele internationale Passagiere ab. Trotzdem ist Heathrow gegenüber kontinentaleuropäischen Konkurrenten wie Frankfurt, Paris, Amsterdam und München ins Hintertreffen geraten, weil in London die Kapazität fehlt.

Abhilfe durch die dritte Start- und Landebahn

Die aber wird auch durch das neue Terminal 5 nicht erweitert; tatsächlich könnte nur eine dritte Start- und Landebahn Abhilfe schaffen, deren Bau von der britischen Regierung bis zum Jahr 2020 geplant ist. Während Umweltschützer strikt dagegen sind, drängt British Airways, mit 41 Prozent aller Starts Hauptkunde des Flughafens, auf die Ausweitung: "Heathrow muss sich mit den zwei Bahnen begnügen, die es schon 1946 gab, während in Amsterdam fünf Pisten zur Verfügung stehen, in Paris und Madrid je vier", klagt BA- Chef Willie Walsh.

Vorläufige Linderung könnte eine neue duale Form der Nutzung der bestehenden Bahnen schaffen, die dann abwechselnd für Starts und Landungen genutzt würden. Damit könnten acht weitere Flüge pro Stunde abgewickelt werden - also insgesamt 88 alle 60 Minuten und damit bis zu 540.000 im Jahr, etwa zwölf Prozent mehr als heute.

Dies hätte auch luftfahrtpolitisch große Bedeutung: Denn durch das Ende März in Kraft tretende Abkommen über den Offenen Himmel zwischen der EU und den USA dürfen künftig sowohl europäische als auch amerikanische Airlines von jedem Flugplatz auf beiden Seiten des Atlantiks zu allen Zielen starten; bisher verfügen nur BA, Virgin Atlantic, American und United über transatlantische Streckenrechte von und nach Heathrow. Jetzt drängen viele andere große Airlines nach London; zu den für Amerikaflüge wichtigen Ankunfts- und Abflugzeiten aber gibt es für Neulinge derzeit keine Chance.

Für diese Zeitfenster, sogenannte Slots, werden von Airlines bis zu 30 Millionen Euro gezahlt; die attraktivsten Zeiten sind noch teurer. Landerechte in Heathrow am frühen Morgen, ideal für Ankünfte aus Amerika, sind wertvoll wie Goldstaub.

© SZ vom 9./10.3.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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