Chinatown in San Francisco:Hinter den Kulissen

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Für Touristen ist es ein Abstecher in den Fernen Osten, für die Bewohner ein Stück Heimat in der Fremde. Nun führen Studenten hinter die Fassaden von Chinatown.

Hinter den bunten Auslagen der Souvenirläden und den Dim-Sum-Restaurants in San Franciscos Chinatown liegt eine Welt, die den Touristen meist verborgen bleibt. Es ist eine Welt, in der es Bürgerrechtsverletzungen, Rassismus und Elend gab.

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:Chinatown - geheimnisvolle Stadt in der Stadt

Besonders alte Menschen pflegen in dem Viertel in San Francisco ihre Traditionen in der Fremde.

Einige dieser Geschichten, von denen der Besucher normalerweise nie etwas hört, erzählt Wendell Lin. Der 20-Jährige ist einer von mehreren einheimischen Collegestudenten, die interessierte Touristen hinter die Kulissen ihres Viertels führen.

Das Programm wird von einer örtlichen gemeinnützigen Organisation unterstützt, die die Lebensqualität der Bewohner von Chinatown verbessern will. Die Tour beginnt auf dem Portsmouth Square, dem "Wohnzimmer" von Chinatown.

Hier kommen die Bewohner zusammen, um den neuesten Klatsch auszutauschen, zu spielen oder einfach nur ein Sonnenbad zu genießen. Nicht weit von diesem alten Platz schneiden sich enge Gassen unübersichtlich in das Viertel.

Wand an Wand stehen hier die Häuser. San Franciscos Chinatown ist eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der USA. "Oft wohnen ganze Familien in winzigen Wohnungen von nicht mehr als zehn, zwölf Quadratmetern", erklärt Lin.

Ein Großteil dieser Häuser wurde nach dem verheerenden Erdbeben von 1906 erbaut. Schimmel, Risse in Wänden und Decken, Ungeziefer und schlechte Beleuchtung sind typisch für diese hastig errichteten Gebäude und bilden auch heute noch ein ständiges Ärgernis für die Bewohner.

Trotz dieser teils desolaten Wohnsituation wollen vor allem die älteren Bewohner nicht von hier wegziehen. Die über Jahrzehnte entstandenen Beziehungen zu den Nachbarn, die gemeinsame Sprache und vor allem die immer noch bezahlbaren Mieten halten sie im Viertel.

Ansonsten gehört San Francisco zu den teuersten Städten der USA, und Chinatown liegt noch dazu mitten in einer der teuersten Gegenden der Stadt.

Viele Straßen haben wie die Wentworth Alley zusätzlich einen chinesischen Namen: "Allee des Friedens und der Harmonie" heißt die Allee. Ein paar Minuten später kommen die Besucher, nachdem sie die "Allee der Salzfische" passiert haben, an einer Glückskeksfabrik vorbei.

Gleich nebenan steht ein Mini-Barbierladen. Der hat zwar nur einen Sitz, auf dem haben aber schon Frank Sinatra und Clint Eastwood gesessen.

Nicht weit entfernt steht der erste buddhistische Tempel Nordamerikas. Lin zeigt seiner Gruppe außerdem eine Grundschule für die Kinder des Viertels, die einst vom Besuch anderer Schulen in San Francisco ausgeschlossen waren.

In der Nähe steht ein Haus, in dem früher ein presbyterianischer Priester Frauen versteckte, die er aus den Händen von Mädchenhändlern und Bordellbetreibern gerettet hatte.

Auch Bewohner San Franciscos wie Gil Carmel und seine Frau Deborah Solomon, die ihre Eltern auf der Tour begleitet haben, sind von den neuen Eindrücken angetan. "Wir sind gerne hier unterwegs und suchen nach neuen Flecken, die wir noch nicht kennen", sagt Carmel. "Doch diese Tour ist sehr viel persönlicher."

Informationen:

Die Touren finden meist samstags statt, da die jungen Führer unter der Woche zur Schule oder ins College gehen. Der Rundgang dauert zwei Stunden. Es muss mindestens fünf Tage im voraus reserviert werden. Die Tour kostet 18 Euro für Erwachsene, für Studenten, Schüler und Kinder gelten ermäßigte Preise. Weitere Informationen im Internet: chinatownalleywaytours

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