Bundesweite Streiks bei der Bahn:Viele Züge fahren wieder

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Nach vier Stunden haben die Bahn-Lokführer ihren Streik beendet, viele Züge rollen wieder. Dennoch dürfte es bis zum Nachmittag zu Verspätungen kommen. Das befürchtete Chaos blieb bislang aus.

Nach dem flächendeckenden Lokführerstreik am Dienstagmorgen rollen die Züge in Deutschland wieder. Allerdings sei noch bis zum Nachmittag mit Verspätungen zu rechnen, sagte ein Bahnsprecher in Berlin.

Er wies darauf hin, dass die Gewerkschaften Transnet und GDBA weitere Aktionen im Lauf des Tages angekündigt hätten. Beide Organisationen planen nach eigenen Angaben am Mittag Warnstreiks bei der Hamburger S-Bahn sowie in Seelze bei Hannover.

Am Nachmittag werde der Regionalverkehr von Cottbus nach Berlin betroffen sein sowie Thüringen. Protestaktionen seien außerdem in Containerbahnhof Köln und im Regio-Werk München geplant.

Der vierstündige Warnstreik der Lokomotivführer hatte am Morgen in weiten Teilen Deutschlands den Bahnverkehr zum Erliegen gebracht.

In Nord- und Ostdeutschland, in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg fuhr kaum noch ein Zug. Der S-Bahn-Verkehr ruhte in Berlin und Stuttgart, Behinderungen gab es auch rund um Frankfurt am Main und München. Das befürchtete Chaos auf den Bahnhöfen blieb nach einem ersten Überblick aus.

Nach der Warnstreik-Ankündigung am Vortag waren offensichtlich viele Pendler auf U-Bahnen, Busse, das eigene Auto oder Fahrrad umgestiegen. Am Frankfurter Hauptbahnhof fielen zahlreiche Züge im Regional- und Fernverkehr aus oder hatten Verspätungen bis zu weit über einer Stunde. Im Rhein-Main-Gebiet war am stärksten die S-Bahn betroffen.

Hier fuhr nach Angaben der Bahn nur einer von zehn Zügen. Ein Bahnsprecher in Nordrhein-Westfalen berichtete: "In den großen Hauptbahnhöfen Düsseldorf, Köln, Dortmund, Duisburg und Wuppertal bewegt sich nichts mehr." Die beiden anderen Bahngewerkschaften Transnet und GDBA wollten ihre Warnstreiks in verschiedenen Regionen bis zum Abend fortsetzen.

Sie haben ihre Aktionen nicht mit der Lokführergewerkschaft GDL abgestimmt. Der GDL-Vorsitzende Manfred Schell drohte mit einem unbefristeten Arbeitskampf.

"Wir warten jetzt, ob der Bahn-Vorstand reagiert und uns ein Angebot macht. Wenn nicht, sind weitere Streikhandlungen nicht ausgeschlossen", sagte er in Frankfurt.

Falls es kein Angebot der Bahn für einen eigenen Spartentarifvertrag gebe, wolle die Gewerkschaft die Urabstimmung über einen Streik einleiten. Die GDL verlangt für das Fahrpersonal bis zu 31 Prozent mehr Geld.

Der GDBA-Vorsitzende Klaus-Dieter Hommel nannte die flächendeckenden Warnstreiks der Lokomotivführergewerkschaft eine "sehr überzogene Maßnahme".

Die Strategie der GDL sei für das gemeinsame Anliegen, mehr Lohn zu erreichen, "schädlich", sagte Hommel im Deutschlandradio Kultur. Die Arbeitgeberseite versuche bereits, diese Situation auszunutzen und die Bahngewerkschaften gegeneinander auszuspielen.

Bei den Aktionen von GDBA und Transnet handele es sich um "echte Warnstreiks", die punktuell und zeitlich begrenzt seien, sagte Hommel. Die Auswirkungen auf die Kunden würden "so gering wie möglich" gehalten, sie würden jeweils am Vortag informiert.

"Mehrere tausend" Lokführer waren nach Angaben der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) von 5 Uhr an in den Ausstand getreten.

Sie protestierten damit gegen die Weigerung der Deutschen Bahn, über einen eigenen Tarifvertrag für das Fahrpersonal mit deutlich höheren Einkommen zu verhandeln.

Die Arbeitsniederlegungen sollen bis 9 Uhr andauern. Man sei mit der Wirkung der Warnstreiks "sehr zufrieden", sagte eine GDL-Sprecherin in Frankfurt.

DB-Personenverkehrs-Sprecher Achim Stauß sagte am Dienstag im ZDF-"Morgenmagazin", die Streiks hätten zu flächendeckenden Beeinträchtigungen auch in den Ballungsräumen geführt, deren Auswirkungen sich voraussichtlich über den ganzen Tag bemerkbar machen werden.

Am frühen Morgen war zunächst der Regionalverkehr rund um Nürnberg, Tübingen und Heilbronn betroffen. In Heilbronn wurden auch die Busse bestreikt, wie ein Transnet-Sprecher in Berlin berichtete.

In Thüringen kam der Schienenverkehr rund um den Eisenacher Bahnhof zum Erliegen. Dort traten Mitarbeiter der Fahrdienstleitung in einen befristeten Ausstand. Streikbedingte Behinderungen im Zugverkehr wurden auch aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gemeldet.

Nach Angaben der Bahn kam es im Raum Hannover zu einem flächendeckenden Streik bei S-Bahnen, im Regional- und Fernverkehr. Auch in Frankfurt blieben die ersten Züge und S-Bahnen stehen, wie eine Sprecherin der GDL berichtete. In Stuttgart legten nach ihren Angaben Lokführer ebenfalls ihre Arbeit nieder.

Die GDL fordert von der Bahn einen eigenen Spartentarifvertrag, was die Konzernführung bislang kategorisch ablehnt, sowie eine Tarifanhebung bis zu 31 Prozent.

Weitere Warnstreiks im Laufe des Tages

Am Mittag verlagern sich die Warnstreiks nach Hamburg, wo die S-Bahn betroffen sein wird, und nach Seelze in der Region Hannover. Am Nachmittag soll der Regionalverkehr in Brandenburg von Cottbus nach Berlin von befristeten Arbeitsniederlegungen betroffen sei. Aktionen gibt es den Angaben zufolge zudem noch einmal in Thüringen, in Köln im Containerbahnhof und in München im Regio-Werk.

Die Lokführer-Gewerkschaft GDL will den Bahnverkehr in Deutschland gegebenenfalls wochenlang lahmlegen. "Wir sind darauf eingestellt, notfalls auch länger zu streiken - wenn nötig über Wochen", sagte Gewerkschaftschef Schell der Neuen Presse in Hannover.

Der Bahn-Vorstand müsse sich endlich bewegen und seine Blockade aufgeben, forderte Schell weiter. "Wir setzen auf ein Umdenken der Unternehmensführung. Sie wird die Auswirkungen unserer Aktionen zu spüren bekommen und kann dann entscheiden, ob sie uns zu echten Tarifverhandlungen einlädt oder nicht."

Schell bekräftigte, dass er auf eigenen Tarifverhandlungen mit der Bahn bestehe ohne die größere Gewerkschaft Transnet: "Gemeinsam gegen den Arbeitgeber vorzugehen, würde für uns heißen, Schwäche zu zeigen. Deshalb gehen wir den Weg, für den wir uns entschieden haben. Wir bestehen auf einen eigenständigen Tarifvertrag."

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