Berlin:Auf den Spuren der Macht

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"Einstein", "Piccolo" oder "Kanzler-Eck": ein Streifzug durch die Restaurants, in denen die Politikprominenz Verträge aushandelt, Mittagspause macht oder Currywurst isst.

Es muss nicht immer das "Borchardt" sein. In Berlin gibt es eine Vielzahl von Orten, an denen Politiker Strippen ziehen, mit Journalisten plaudern und manchmal auch mit dem Gegner ein Schnitzel essen.

Seit dem Umzug der Regierung aus Bonn 1999 haben sich einige Restaurants und Cafés als Lieblingorte der Berliner Republik etabliert - und das wird wohl auch bei einem Regierungswechsel so bleiben.

Wie das "Borchardt" liegen die meisten Treffs im ehemaligen Osten Berlins im Regierungsviertel, um den Gendarmenmarkt und am Boulevard Unter den Linden.

Dort öffnete 1996 das Kaffeehaus "Einstein", das in Sichtweite des Hotels Adlon und der amerikanischen Botschaft liegt. Draußen flanieren die Touristen, drinnen wird Politik gemacht.

Eigentlich nennt er keine Namen

Es gibt Tage, an denen Vertreter aller Fraktionen an den Tischen die Köpfe zusammen stecken, erzählt Geschäftsführer Gerald Uhlig. Eigentlich ist er diskret und nennt keine Namen. Und plaudert schließlich doch ein bisschen: Israels Botschafter Shimon Stein ist Stammgast, Ex-US- Präsident Bill Clinton sah sich eine Ausstellung an, und neulich ist US-Notenbankchef Alan Greenspan hineinspaziert.

Dann holt Uhlig ein Buch, in dem Außenminister Joschka Fischer über das "Einstein" schwärmt und unter der Formel E = mc² Berlins besten Espresso lobt.

"Ich glaube, dass sie so gerne herkommen, weil sie hier in Ruhe gelassen werden", sagt Uhlig über seine politischen Gäste. An den weißbetuchten Tischen, den lederbespannten Bänken und den Thonet-Stühlen sitzen sie alle - vom CDU-Mann Jürgen Rüttgers bis zur SPD-Frau Andrea Nahles. Das Café wird zur politischen Bühne.

Uhlig, der früher Schauspieler und Regisseur war, sieht das "Einstein" mit seiner angeschlossenen Galerie und den Ausstellungen als "begehbares Kunstwerk".

Wer völlig unerkannt und abseits von fremden Ohren reden oder essen will, muss aufpassen. In den beliebten Restaurants, wie dem "Sale e Tabacchi" oder dem "Bocca di Bacco", ist es nicht unbedingt verschwiegen.

Wo die Grünen sinnieren

Hintergrundgespräche von Politikern mit Journalisten gibt es öfter im "Piccolo", im "Kanzler-Eck" oder im "Honigmond". Vor kurzem zog das "Il Punto" aus Bonn ans Brandenburger Tor, dort sinnierten die Grünen über die Neuwahlen.

Auch das "Speisezimmer" der Szenegastronomin Sarah Wiener in der Chausseestraße hat sich zum Treff gemausert. "Die meisten der Herren und Damen habe ich beim ersten Mal nicht einmal erkannt", gibt sie in dem Buch "Politische Orte" zu.

Touristischer geht es in der "Ständigen Vertretung" am Schiffbauerdamm zu, in der sich Exil-Rheinländer mit Kölsch das Heimweh wegtrinken und Karneval feiern.

Wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung beobachtet hat, ließ sich Altkanzler Helmut Kohl zum "Alten Zollhaus" nach Kreuzberg chauffieren, um dort die feine Variante der regionalen Küche zu kosten.

Die Currywurstleidenschaft seines Nachfolgers Gerhard Schröder ist hinlänglich bekannt. Ob er sich die Spezialität aber tatsächlich vom einige Kilometer entfernten Imbiss "Konopke" aus dem Prenzlauer Berg ins Kanzleramt bringen ließ, müsste noch einmal nachrecherchiert werden, heißt es in dem Bericht.

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