Ausrüstung:Leichter, länger, ruhiger

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Die Zeiten der extrem kurzen Ski sind vorbei. Die Hersteller bauen wieder längere Bretter mit Graphen und leichten Hölzern im Kern. Und die Skistiefel werden bequemer.

Von Thomas Becker

Glaubt man dem gerne zitierten Wetterpropheten Sepp Haslinger (73) aus Benediktbeuern wird es heuer einen Jahrhundertwinter geben: lang, kalt und schneereich, bis Ostern, also Ende März. Eine frohe Botschaft für die im Vorjahr arg gebeutelte Ski-Industrie, für deren Geschmack die Pisten mal wieder viel zu lange grün statt schneeweiß waren. Der Weltcup-Auftakt der Profis am Ötztaler Rettenbachferner zu Sölden geriet jedenfalls schon mal zu einer Pracht in Weiß - ein Start, der Lust macht auf mehr. Und das am besten mit dem neuesten, in diesem Jahr vor allem deutlich leichteren Equipment unter und an den Füßen.

Kork in den Skischuhen dämpft an wichtigen Stellen - wie am Knöchel

Warum also nicht mal die Ausrüstung der Profis ausprobieren? Skifahren wie Felix Neureuther - das würde schließlich jeder gerne können. Und so hat dessen Ausrüster Nordica gemeinsam mit Deutschlands bestem Skifahrer einen Skischuh für sportlich-ambitionierte Skifahrer entwickelt, sozusagen einen Skistiefel mit "bequemer" Weltcup-Technologie. Während sich die Profis in speziell gefertigte Modelle zwängen, die etwa zwei Größen unter ihrer normalen Schuhgröße liegen, profitiert der Otto Normalfahrer beim Modell Dobermann GP vom anpassbaren Naturmaterial Kork. Bei der sogenannten Cork Fit Technology sitzen an den entscheidenden Stellen im Schuh spezielle Polster aus Naturkork-Granulat und Paraffin. Der Innenschuh wird erhitzt und schmiegt sich so genau an den Fuß an, was die Passform verbessert und die Steuerpräzision erhöht. Außerdem verfügt Kork über gute Dämpfungseigenschaften, gerade an so sensiblen Stellen wie den Knöcheln. So arbeitet der Skischuh als Steuerzentrale des Skifahrers nicht nur präziser, sondern ist auch endlich mal angenehmer zu tragen.

Bei den klassischen Alpin-Skiern, die generell wieder länger und somit laufruhiger werden, hat sich der Straubinger Hersteller Völkl etwas Neues einfallen lassen, und zwar im Bereich Schwingungsdämpfung. Das vorne an der Schaufel des Skis sitzende System UVO dämpft störende Vibrationen und Schläge, die durch unterschiedliche Pistenverhältnisse entstehen können. Dadurch läuft der Ski ruhiger und garantiert besseren Kantengriff. Montiert ist dieses Dämpfungssystem beispielsweise auf dem neuen RTM 86, einem Modell der Völkl All Mountain Linie, der auf Vielseitigkeit getrimmt ist und vor allem bei wechselhaften Verhältnissen überzeugt. Skifahrer, die früher viel und sportlich gefahren sind, aber nun nur noch ein paar Tage im Jahr auf die Piste streben oder gerade aus der Reha kommen, die Knie- oder Hüftprobleme haben oder zur älteren Generation gehören, sind besser bei der Efficient Linie der Straubinger aufgehoben. Diese Ski sind spielerischer zu fahren und leichter zu drehen als die Standard-Alpin-Modelle, aber sportlich kann man mit ihnen dennoch unterwegs sein, quasi mit einem klassischen "Racetiger" samt Komfortpaket.

Die Kollegen von Head setzen dagegen auf Graphen, eins der leichtesten, stärksten und dünnsten Materialien überhaupt, das auch in Tennisschlägern verarbeitet wird. In den neuen Head-Kollektionen Monster und Instinct sorgt die Technologie für bessere Reaktionsfähigkeit, Balance und Kontrolle. Gängige Materialien wie Holz oder Fasern werden reduziert und stattdessen zusätzliche Aluminiumlegierungen verwendet, die den Ski besonders reaktionsfähig machen.

Mit einem der leichtesten Pistenski startet Fischer in den Winter. Sein Holzkern ist um die 25 Prozent leichter als sein Vorgänger. Wer es bei den Brettern lieber stilvoll mag, wird beim Münchner Hersteller Indigo fündig. Der hat in wenigen Jahren schon zig Designpreise eingeheimst und mit dem ACR ein Modell auf dem Markt, das durch das schnöde Wechseln der Ski von rechts auf links die Fahreigenschaften ändert: Drehsteifes Carbon auf der Innenseite für extrem sportliches Fahren, Glaslaminat auf der Außenseite für kraftsparendes Fahren. Und für die perfekte Rundumsicht gibt es dazu die futuristische, extrabreite Skibrille "180° Visor".

Skitourengeher können auf die ultimative Bindung hoffen. Noch fehlt dem Entwickler Geld

Bei den Frauen-Modellen wartet die Belle-Serie von Nordica mit Skikernen aus verleimtem Balsaholz auf, dem leichtesten aller Harthölzer. Der Vorteil: Man braucht weniger Kraft und die Schwungauslösung funktioniert dynamischer. Bei den Bindungen ragt die extrabreite "Marker iPT Wideride XL" heraus: 40 Prozent breiter als ihr Vorgängermodell, was eine noch bessere, verlustfreie Kraftübertragung auf den Ski garantieren soll.

Auch Tourengeher und Freerider können sich auf eine innovative Bindung freuen, und zwar über eine, die so neu ist, dass sie noch gar nicht auf dem Markt ist, sondern erst per Crowdfunding die Serienreife anstrebt. Die Rede ist von der "Pindung" aus dem Hause B.A.M. (Bavarian Alpine Manifest), einer Neuentwicklung "Made in Bavaria" (Dietramszell), bei der die Vorteile einer sogenannten Pin-Bindung mit dem Komfort und der Sicherheit einer alpinen Sicherheitsbindung mit einstellbaren Auslösewerten kombiniert werden. Die Klammern (Pins) werden am Vorderbacken nur im Aufstiegsmodus verwendet. Für die Abfahrt wird die Bindung mit einem Handgriff am Vorderbacken in die Abfahrtsposition geschoben und zur Sicherheitsbindung samt TÜV-zertifiziertem Z-Wert (angestrebter Wert: 6 bis 14) umfunktioniert. Ein Konzept, das es so in dieser Form bislang noch nicht gibt - und das auch erst Realität wird, wenn die "eierlegende Wollmilchsau" (Zitat Hersteller) bis 7. Dezember genügend Unterstützer findet. Mindestens 40 000 Euro müssen per Crowdfunding zusammenkommen, damit eine erste kleine Serienproduktion für weitere Produkttests finanziert werden kann.

Ansonsten werden auch bei den Tourengehern und Freeridern die Skier immer leichter: Teilweise liegt das Gewicht schon bei unter einem Kilo pro Ski. Auch in diesem, in den vergangenen Jahren boomenden, Bereich werden nun immer öfter Balsa- und Paulownia-Holzkerne verwendet sowie extrem stabile Titanal- und Carbon-Mixturen, die aus der Raumfahrttechnologie stammen.

Vom Himmel fehlt jetzt nur noch der Schnee. Und wenn wirklich so viel fällt wie der Wetterprophet angekündigt hat, muss man sich auch nicht sorgen, falls mal ein Ski im Tiefschnee verloren geht. Per SkiTracer, einem kleinen Aufbau, der auf die Ski montiert wird, kann der vermisste Ski per Smartphone und App geortet werden.

© SZ vom 05.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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