Arktis:Die unbekannte Jan Mayen

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Im Nordatlantik liegt eine kleine Insel, um die sich einst Nationen gestritten haben. Heute beherbergt sie eine Forschungsstation - unter anderem.

Kevlavik - Bei strahlendem Sonnenschein und einer steifen Nordost-Brise verlässt die "MS Multanovskiy" den Hafen von Kevlavik auf Island. Das Thermometer zeigt elf Grad Celsius.

Einen Schiffskai gibt es auf Jan Mayen nicht... (Foto: Foto: Norden Tours/dpa/gms)

"Richtig warm für einen Tag Ende Mai in der Nähe des Polarkreises", freut sich Kapitän Yuri Babkin. Das Ziel des Schiffes ist eine einsame Insel nördlich des Polarkreises, die nur selten Besuch bekommt: Jan Mayen. Die arktische Insel liegt 500 Kilometer östlich von Grönland und gehört politisch zu Norwegen.

"Ein Wal - mal alle schnell nach vorn kommen und Kameras bereit halten", tönt es plötzlich aus dem Lautsprecher. Expeditionsleiter Rolf Stange hat einen Finnwal entdeckt. Ein riesiger grauer Rücken wird kurz sichtbar, gefolgt von einer hohen Fontäne. Dann ist das Meer wieder glatt. Nur flache Wellen klatschen gegen die Bordwand.

Aktiver Vulkan, gut kaschiert

Als an einem der Tage darauf die Vulkaninsel Jan Mayen in Sicht kommt, tummeln sich bereits in den frühen Morgenstunden alle Mann an Deck. Noch verhüllt der 2277 Meter hohe Beerenberg sein Haupt. Doch als die Nebelschwaden sich lichten, erstrahlt sein von Schnee bedeckter Kegel im Sonnenlicht. Die Schiffspassagiere stehen wie verzaubert da. Es ist kaum zu glauben, dass im Inneren des Berges ein aktiver Vulkan schlummert. Der letzte Ausbruch ereignete sich 1985.

Die Küste besteht aus extrem schroffen Felsen. Deshalb geht das Schiff auf Reede. Schlauchboote werden zu Wasser gelassen, die Schwimmwesten festgezurrt. Schon Minuten später legt das erste der Zodiac genannten Wasserfahrzeuge am schwarzen vulkanischen Strand an. Eine hohe Welle bringt das zweite fast zum Kentern.

Von einer Minute auf die andere

"Das Wetter in diesem Teil der Welt ist unberechenbar. Es ändert sich von einer Minute zur anderen", sagt der Leiter der landeinwärts gelegenen meteorologischen Station. 1921 wurde die Wetterstation gebaut, auf der momentan 18 Menschen leben. Sie sind die einzigen auf dieser Insel, auf deren unfruchtbarem Lavaboden in den kurzen Sommern außer Moos, Gras und einigen genügsamen Blumen nichts wächst.

Schon früh kamen Menschen auf das Eiland "am Ende der Welt". Irische Mönche sollen im sechsten Jahrhundert die ersten gewesen sein. Zu einem Zankapfel europäischer Mächte entwickelte sich die Insel, die ihren Namen einem holländischen Kapitän namens Jan Mayen verdankt, am Anfang des 17. Jahrhunderts.

Könnte auf Inselbesucher warten: ein Eisbär (Foto: Foto: dpa)

England und die Niederlande sahen in ihr einen idealen Walfang-Stützpunkt. Die Holländer verarbeiteten den Tran am Ort und schützten ihre Produktionsstätten damals mit Kanonen gegen Eindringlinge.

Späte Karriere als Forschungsstützpunkt

Begehrt waren einst auch die Felle der weißen und blauen Füchse, die ursprünglich in großen Scharen die Insel bevölkerten. Als sie ausgerottet waren, verfiel Jan Mayen in einen Dornröschenschlaf, bis die Wissenschaft sich für den arktischen Außenposten zu interessieren begann. Im Ersten Internationalen Polarjahr 1882/83 wählte eine österreichisch-ungarische Expedition die Insel als Basis für Studien über Erdmagnetismus, Hydrographie und astronomische Phänomene.

"Viel Steine gab's und wenig Brot", fasst einer der Schiffspassagiere das Landschaftsbild zusammen. Geröll, vom Meer rund geschliffene Steine und Treibholz säumen den Strand. Auf einem Hügel stehen zwei verwitterte Holzkreuze zur Erinnerung an norwegische Walfänger, die 1911 hier ihr Leben ließen. Eine Hand voll dottergelber Butterblumen schmückt das schlichte Grab.

Eisbär, womöglich

Rolf Stange patrouilliert mit geschultertem Gewehr am Ufer. Die Waffe ist Pflicht - immerhin besteht die Möglichkeit, dass sich ein Eisbär in einer Höhle versteckt hält.

Als plötzlich ein scharfer Wind aufkommt und ein Donner in der Ferne grollt, ist es Zeit, die Schlauchboote zu Wasser zu bringen. Zurück an Deck der "MS Multanovskiy", suchen die Passagiere vergeblich nach Jan Mayen. Die magische Insel ist wie eine Fata Morgana im Dunst verschwunden. Eine bleibende Erinnerung ist nur der Poststempel von der Wetterstation, der sich gut in jedem Fotoalbum macht.

Weitere Informationen: siehe nächste Seite

ANREISE UND FORMALITÄTEN: Jan Mayen liegt bei 71 Grad nördlicher Breite und 8 Grad westlicher Länge im Nordatlantik. Die Insel kann nur per Schiff besucht werden. Besucher brauchen eine Genehmigung. Für Aufenthalte bis 24 Stunden kann sie per E-Mail beantragt werden unter janmayen@ftd.mil.no

KLIMA UND REISEZEIT: Arktisches Klima. Kreuzfahrtreedereien haben Jan Mayen unregelmäßig im Programm, meist Ende Mai und im Juni.

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