Zu Besuch in Paris:Über Argwohn und Ausgleich

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EU-Spitzenvertreter wollen ihr Verhältnis zu China neu verhandeln - und damit ein Signal an die anderen Europäer senden, die zu Ungunsten der EU handeln.

Von Leo Klimm, Paris

Andere Zeiten (von li.): Jean-Claude Juncker, Angela Merkel und Emmanuel Macron begrüßen den chinesischen Präsidenten Xi Jinping im März 2019 in Paris. (Foto: Francois Mori/AP)

Auf die deutsche Fahne muss Bundeskanzlerin Angela Merkel verzichten. Dabei ist ihre Anwesenheit im Pariser Elysée-Palast am Dienstag doch das Besondere. An den Hofmauern des Amtssitzes des französischen Präsidenten hängen nur die Flaggen Frankreichs und Chinas. Erst drinnen findet sich die schwarz-rot-goldene Fahne, drinnen im frisch renovierten, angenehm lichtdurchfluteten Festsaal des Palasts, wo die deutsche Kanzlerin an einem Tisch neben drei Herren Platz nimmt.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat den chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping zum Staatsbesuch da. Eigentlich eine rein bilaterale Angelegenheit. Doch weil er in den Beziehungen zur Supermacht aus Fernost einen europäischen Ansatz verfolgt, hat Macron Merkel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zum Gespräch mit Xi geladen. Es ist die praktische Demonstration dessen, was die drei Europäer, die da am Tisch sitzen, von dem Chinesen fordern: Mehr Multilateralismus - ein abstrakt klingender Begriff, der an diesem Tag viel bemüht wird, hinter dem sich jedoch nur die schlichte Idee verbirgt, dass internationale Beziehungen nicht einseitig sein sollen, sondern alle Beteiligten zufriedenstellen müssen. Im Verhältnis zu China, das lassen Merkel, Macron und Juncker erkennen, liegen die Vorteile etwas zu einseitig bei den Asiaten. Also wollen die drei Europäer zusammen dieses Verhältnis neu verhandeln, um den Rang Europas in einer sich wandelnden Welt zu behaupten. Macron fordert mehr Fairness: "Wir wollen gemeinsam einen erneuerten multilateralen Rahmen schaffen, der gerechter und ausbalancierter ist." Xi sitzt neben ihm und macht ein freundlich-verständnisvolles Gesicht.

Der chinesische Staatenlenker ist allerdings nicht der einzige Adressat der Botschaften, die das Europa-Trio im Elysée-Palast verbreitet - und für manche ist er nicht einmal der wichtigste. "Es geht hier vor allem um ein Signal an die anderen Europäer", sagt ein französischer Regierungsvertreter. "Das Problem ist ausschließlich europäisch." Denn wenn sich die Beziehungen, insbesondere die wirtschaftlichen, zu Ungunsten der EU entwickeln, dann auch deshalb, weil manche Mitgliedstaaten das zulassen und Schwäche zeigen, heißt es in deutschen und französischen Regierungskreisen. Gemeint sind einige osteuropäische Länder sowie Italien. Rom hat vor wenigen Tagen mit Xi eine Rahmenvereinbarung getroffen, um am chinesischen Megaprojekt der "Neuen Seidenstraße" teilzunehmen. Hinzu kommt die Versuchung europäischer Länder, beim Aufbau moderner Mobilfunknetze mit dem chinesischen Billiganbieter Huawei zusammenzuarbeiten. Die USA stufen den Konzern offen als Spionageinstrument Pekings ein.

In den Beziehungen müssten Worte wie "Partnerschaft" und "Rivalität" neu definiert werden

Der Auftritt Merkels und Junckers an Macrons Seite soll nun ein Akt europäischer Selbstvergewisserung sein. "Die EU ist ein multilaterales Projekt, in dem wir versuchen, nach außen gemeinsam aufzutreten", mahnt die Kanzlerin. Im Verhältnis zu China müssten Worte wie "Partnerschaft" und "Rivalität" neu definiert werden. Gegen gesunden Wettbewerb sei ja nichts einzuwenden. Macron stellt "Meinungsverschiedenheiten" mit Xi fest.

Dem chinesischen Präsidenten ist der Argwohn nicht entgangen, den ihm seine europäischen Gesprächspartner da in freundschaftlichem Ton entgegenbringen. Man müsse sich "enger konsultieren, um Vertrauensdefizite abzubauen", entgegnet er. "Vertrauen ist das wichtigste Bindemittel in den internationalen Beziehungen." Über unfairen Wettbewerb - der europäischen Kritikern zufolge durch verschlossene chinesische Märkte und staatlich hochsubventionierte Unternehmen entsteht - spricht er allerdings nicht. Lieber bietet er sich als Partner zur Förderung des Friedens in der Welt und des Klimaschutzes an.

Das gefällt Merkel, Macron und Juncker. Sie zeigen sich sogar daran interessiert, dass auch ihre Länder und die EU sich im Seidenstraßen-Projekt "einbringen", wie es die Kanzlerin formuliert. Doch das müsse "zu einer gewissen Reziprozität führen". Noch ein sperriger Begriff, hinter dem sich die einfache Vorstellung von Gegenseitigkeit, von Ausgleich verbirgt. Merkel spricht weiter von Multilateralismus, Europa und China. Von einer Reform des UN-Sicherheitsrats, der Welthandelsorganisation, der Weltbank, letztlich von der Notwendigkeit, die gesamte Weltordnung der Nachkriegszeit an die Gegebenheiten der Gegenwart anzupassen. "Sind wir in der Lage, das multilaterale System in veränderte Zeiten zu überführen?", fragt sie. "Oder versteinert uns dieses multilaterale System, wird völlig unflexibel - und wird damit eines Tages nicht mehr das leisten können, was es leisten muss?"

Der erste Adressat dieser Einlassungen allerdings dürfte weder Xi sein, der stets freundlich lächelnde chinesische Staatschef, noch dürften es abtrünnige EU-Partnerstaaten sein. Sondern es ist eher Donald Trump, der US-Präsident.

© SZ vom 27.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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