Zahlreiche Gesetzesänderungen verabschiedet:Krankenversicherung wird teurer

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Der Bundestag hat beschlossen, dass viele Versicherte vom Juli kommenden Jahres an einen Aufschlag für den Zahnersatz bezahlen müssen. Für Kinderlose wird auch der Beitrag zur Pflegeversicherung steigen.

SPD und Grüne setzten die Neuregelung mit ihrer Mehrheit im Bundestag gegen Einsprüche des Bundesrates durch, der mit der Mehrheit der unionsregierten Länder beide Gesetze abgelehnt hatte.

Beim Zahnersatz müssen künftig Beschäftigte und Rentner einen Sonderbeitrag für den Zahnersatz von 0,4 Prozentpunkten vom Bruttolohn auf ihren Krankenkassenbeitrag zahlen und 0,5 Prozent zusätzlich für das Krankengeld. Arbeitgeber und Rentenkassen beteiligen sich daran nicht. Im Gesetz steht auch, dass die Krankenkassen ebenfalls zum 1. Juli den allgemeinen Beitragssatz um 0,9 Prozent absenken müssen. Unterm Strich zahlen Arbeitnehmer und Rentner also dann 0,45 Prozentpunkte drauf.

Der Pflegebeitrag soll für Kinderlose zum 1. Januar 2005 um 0,25 Prozentpunkte steigen. Damit setzt die Koalition ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts um, dass die Entlastung von Familien vorschreibt.

Haftung für Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen

Die Parlamentarier beschlossen zudem das Gentechnikgesetz. Im Mittelpunkt steht die besonders umstrittene Haftungsregelung bei gentechnischer Verunreinigung traditionell bestellter umliegender Felder durch den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen. Erklärtes Ziel des Bundes ist der Schutz von Verbrauchern und Landwirten. Ein Standortregister soll den Gentechnik-Anbau offen ausweisen. Bund und Länder hatten sich im Vermittlungsausschuss nicht auf einvernehmliche Regelungen verständigen können. Die Länderkammer wies daraufhin das rot-grüne Gesetz erneut. Diesen Einspruch hat der Bundestag jetzt mit Koalitionsmehrheit überstimmt.

Bundeswehreinsatz in Bosnien verlängert

Mit breiter Mehrheit billigten die Abgeordneten den Militäreinsatz der Europäischen Union (EU) in Bosnien. Damit kann sich die Bundeswehr mit bis zu 3000 Soldaten für ein weiteres Jahr an dem internationalen Friedenseinsatz beteiligen, dessen Führung die EU im Dezember von der Nato übernehmen soll. Geplant ist aber weiterhin nur der Einsatz von rund 1100 Mann, mit denen Deutschland weiter einer der größten Truppensteller der aus rund 7000 Soldaten bestehenden SFOR-Truppe wäre.

Der "Althea" genannte Einsatz gilt als wichtiger Schritt der EU beim Ausbau ihrer militärischen Fähigkeiten. Es handelt sich um den dritten EU-Einsatz nach Mazedonien und Kongo. Der Einsatz in Bosnien ist auch bedeutsam für das Verhältnis von EU und Nato. Die EU will auf Ressourcen der Nato zurückgreifen, damit keine teuren Doppelstrukturen aufgebaut werden.

Eine Entscheidung über eine mögliche Beteiligung der Bundeswehr an Hilfseinsätzen im Sudan hat der Bundestag überraschend verschoben. In der Bundesregierung hieß es am Freitag, bereits dementierte Berichte über die angebliche Einbestellung des deutschen Botschafters in Khartum sowie Bedenken Sudans angesichts der deutschen Unterstützung der Darfur-Mission der Afrikanischen Union (AU) hätten zu Verunsicherung im Bundestag geführt und Fragen aufgeworfen. Grundsätzlich herrscht Einigkeit in den Bundestags-Fraktionen, dem Einsatz zuzustimmen. Deutschland soll nach dem Willen der Bundesregierung bis zu 200 Soldaten stellen. Die Bundeswehr soll AU- Truppen vom Tschad aus in Transall-Flugzeugen nach Darfur fliegen.

Steuerbefreiung für Agrardiesel abgeschafft

Mit den Stimmen der Koalition schaffte der Bundestag zudem die Steuerbefreiung für Agrardiesel ab. Die Novelle wird zum 1. Januar 2005 in Kraft treten. Derzeit liegt der Steuersatz für Agrardiesel bei 25,56 Cent pro Liter. An der Tankstelle zahlt der Bauer aber den regulären Steuersatz von derzeit 47,04 Cent. Die Differenz wird ihm zurückerstattet, wenn sie über der Bagatellgrenze von 50 Euro liegt. Künftig können die Land- und Forstwirte den alten Steuersatz nur noch für maximal 10.000 Liter pro Betrieb und Jahr ansetzen. Außerdem wird ihnen von der rückzuerstattenden Summe ein "Selbstbehalt" von 350 Euro abgezogen. Kleinbetriebe, die wenig Diesel verbrauchen, zahlen damit künftig den vollen Steuersatz.

Informationsrechte für Verbraucher verbessert

Ebenfalls gegen die Stimmen der Opposition beschloss der Bundestag weitgehende Informationsrechte der Verbraucher über mögliche Gesundheitsgefahren durch Lebensmittel. Wer über heraufziehende Gesundheitsgefährdungen oder Schadstoffgrenzwerte bei Lebens- und Futtermitteln informiert werden möchte, hat bei den Behörden Anspruch auf Auskünfte. Lebensmittel- und Futtermittelrecht werden in einem Gesetz zusammengefasst.

Mehr Rechte für homosexuelle Paare

Die Länderkammer, der Bundesrat, billigte trotz des heftigen Widerstands mehrerer Unionsländer die vom Bundestag bereits verabschiedete Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts. Bayerns Bundesratsminister Erwin Huber (CSU) kündigte eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht an. Die von der Union angestrebte Anrufung des Vermittlungsausschusses scheiterte, weil die Landesregierungen mit FDP-Beteiligung nicht mitzogen. Auch im Bundestag hatten die Freidemokraten für das Gesetz gestimmt.

Das Gesetz gleicht das Lebenspartnerschaftsrecht weiter an das Recht der Ehe an. Einer der strittigsten Punkte ist die Adoption von Stiefkindern. Künftig ist die Adoption möglich, wenn ein Lebenspartner ein leibliches Kind in die Lebensgemeinschaft bringt oder es dort etwa mit künstlicher Befruchtung geboren wird. Wie in der Ehe können homosexuelle Paare eine Zugewinngemeinschaft bilden. Dies schließt einen Versorgungsausgleich bei Trennung ein.

Nach dem jetzt in Kraft tretenden Recht können sich schwule und lesbische Lebenspartnern auch vor der Ehe verloben. Rechtlich ist das von Bedeutung, weil in Strafverfahren der Partner oder die Partnerin ein Zeugnisverweigerungsrecht hat.

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