WTO-Konferenz in Cancun:Demonstrant nimmt sich aus Protest das Leben

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Begleitet von handfesten und lautstarken Protesten hat am Mittwoch in Cancún in Mexiko die fünfte Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation begonnen. Überschattet wurde der Auftakt der Konferenz vom Selbstmord eines Globalisierungskritikers.

Freunden zufolge handelt es sich um den Vorsitzenden der Vereinigung koreanischer Bauern und Fischer, Lee Kyang Hae. Er hatte am Nachmittag an einer Demonstration von 5000 bis 6000 Globalisierungskritikern teilgenommen.

Mehrere hundert von ihnen versuchten, eine Polizeiabsperrung zu überwinden, die sie am Marsch zum Tagungsgebäude der WTO-Konferenz hinderte. Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei wurden mehrere Menschen verletzt.

Der 55 Jahre alte Lee habe mit seinem Selbstmord die WTO anprangern wollen, "die unsere Bauern tötet und die Landwirtschaft Koreas zerstört", sagten Freunde des Verstorbenen bei einer improvisierten Pressekonferenz in den Straßen von Cancún. Gut hundert Koreaner gedachten Lee später schweigend mit einem Sit-in in der Nähe des Krankenhauses.

Aufnahmen des mexikanischen TV-Senders Televisa zeigen, dass ein Mann auf eine mehr als zwei Meter hohe Metallabsperrung geklettert war. Um den Bauch hatte er ein Pappschild mit der Aufschrift "WTO kills farmers" ("WTO tötet Bauern") geschnallt. Was auf dem Zaun passierte, ist nicht zu sehen.

Eine folgende Einstellung zeigt, wie andere Demonstranten stützend nach den Beinen des Mannes greifen. Als er hinuntergleitet, steckt ein Messer in seiner linken Brust. Nach Angaben des Krankenhauses in Cancún wurde der später Verstorbene mit schweren Lungenverletzungen eingeliefert.

"Wir bedauern diesen traurigen Vorfall", sagte Supachai. "Wir hoffen, dass dieser Vorfall nicht zu anderen führt, und wir sind offen, mit allen zu reden, die demonstrieren wollen."

Offenbar nicht erster Selbstmordversuch

In WTO-Kreisen hieß es, Lee habe offenbar schon vor zehn Jahren einen Selbstmordversuch im Gebäude des WTO-Vorläufers GATT in Genf unternommen. Er habe sich 1993 in der Eingangshalle den Bauch aufgeschlitzt. Damals sei Lee im Krankenhaus durch eine Notoperation gerettet worden. Anfang des Jahres sei er dann wieder in Genf aufgetaucht. Vor der WTO habe er ein Flugblatt verteilt, in dem er die Tat von 1993 rechtfertigte.

Der Demonstrationszug in Cancún, zu dem ein Zusammenschluss landloser Bauern aufgerufen hatte, war zunächst friedlich von der Altstadt von Cancún in Richtung des Konferenzzentrums gezogen, das auf einem vorgelagerten Landstreifen im Meer liegt.

Teilnehmer trugen Transparente mit Aufschriften wie "Nein zum Handel" und "Nein zur WTO" und skandierten Parolen gegen die Konferenz. Zu deren Schutz waren rund 5000 Polizisten und Soldaten auf der einzigen Straße zum Tagungsort stationiert.

Nachdem der Zug fünf Kilometer zurückgelegt hatte, kam es an einer zwei Meter hohen Barriere zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften. Demonstranten, von denen viele ganz in Schwarz gekleidet und vermummt waren, warfen Steine und Flaschen auf die Polizisten. Einige verbrannten Fahnen. Sechs Menschen wurden nach Angaben des mexikanischen Zivilschutzes verletzt.

Etappensieg für Entwicklungs- und Schwellenländer

Bei den eigentlichen Verhandlungen über eine weitere Liberalisierung zeichnete sich nach den Appellen der Auftaktveranstaltung, die Verhandlungen nicht scheitern zu lassen, am ersten Tag kaum Bewegung ab. Eine Gruppe von 21 Entwicklungs- und Schwellenländern unter den WTO-Mitgliedern (G21) konnte in den als besonders schwierig geltenden Gesprächen über den Abbau von Agrarsubventionen einen Etappensieg verbuchen.

Die Gruppe setzte durch, dass nicht allein der Entwurf der Abschlusserklärung Basis für die Gespräche wird, wie Brasiliens Außenminister Celso Amorim sagte. Der Entwurf war vom Vorsitzenden des Allgemeinen Rates der WTO, Carlos Perez del Castillo, angefertigt worden und lehnte sich nach Einschätzung der G21 stark an den im August gefundenen Kompromiss zwischen Washington und Brüssel an.

(sueddeutsche.de/AFP)

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