Wortwörtlich - Koydls kleines Lexikon:Sparen mit der holländischen Fichte

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Warum das gute alte Europa kuhäugig sein soll, warum Hamas und Fatah ihre Namen mit Bedacht gewählt haben, was die Spar-Supermärkte mit einer holländischen Fichte zu tun haben und wieso der US-Flugkonzern Boeing deutsche Wurzeln hat - der etymologische Wochenrückblick.

Wolfgang Koydl

Ach, Europa seufzte Hans Magnus Enzensberger schon vor Jahren. Beim Anblick der Verschlingungen auf dem EU-Gipfel dürfte aus dem Seufzer ein Aufstöhnen geworden sein - so schwer tut sich der alte Kontinent mit seiner Zukunft.

Was bedeutet die kleine, grüne Fichte? (Foto: Foto: ap)

Dabei hatte alles so vielversprechend angefangen - mit einer Liebelei des griechischen Göttervaters Zeus und der phönizischen Prinzessin Europa. Sie war streng genommen eine frühe illegale Einwanderin aus dem Nahen Osten, als Zeus mit ihr - verwandelt als Stier - vom heutigen Libanon aus nach Kreta schwamm.

Im weitesten Sinne mit Rindern hat auch der Name der jungen Dame zu tun: das griechische euro steht für breit, die Silbe op- für Auge (wie beim Optiker). Je nachdem wie galant man sein will, lässt sich Europa mit kuhäugig oder weitherzig übersetzen.

Steht zu hoffen, dass die in Brüssel versammelten EU-Chefs eher an die Prinzessin denken und nicht an eine Alternativ-Etymologie. Nach der leitet sich Europa vom aramäischen Wort erebu ab. Das heißt soviel wie Sonnenuntergang.

Alles andere als tolerant gehen die Palästinenser von Hamas und Fatah miteinander um. Immerhin wurden die Namen beider Organisationen mit Bedacht gewählt: Es sind Abkürzungen, die selbst ein eigenes Wort ergeben. So verbirgt sich hinter Hamas die harakat al-muqawama al-islamiya, die Islamische Widerstandsbewegung. Das Wort al-hamas steht im Arabischen - durchaus passend - für religiösen Eifer.

Nicht ganz so geradlinig geht es bei der von Jassir Arafat gegründeten Fatah zu. Um auf dieses Wort zu kommen, das auf Arabisch soviel wie Eroberung bedeutet, muss man die Abkürzung von hinten nach vorne lesen: hara-kat al-tahrir al-watani al-filastini - die Palästinensische Nationale Befreiungsbewegung.

Ebenfalls eine Abkürzung steckt in der Edeka-Kette, die kürzlich die Supermärkte der Spar-Gruppe gewissermaßen in ihren Einkaufswagen gepackt hat. Ein gewisser Fritz Borrmann gründete 1898 die regionale "Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler im Halleschen Torbezirk zu Berlin". Dieser selbst für damalige Verhältnisse ungelenke Begriff wurde bald zu E.d.K. verkürzt und dann ansprechender und wohlmundiger Edeka geschrieben.

Der Name Spar andererseits scheint kein Geheimnis zu bergen: Wer günstig kauft, der spart, nicht wahr. Doch tatsächlich handelt es sich dabei um ein ähnliches Akronym wie bei den Palästinenserfraktionen: Im Jahre 1932 wurde in den Niederlanden eine Genossenschaft mit dem optimistischen Namen Door Eentrachtig Samenwerken Profiteeren Allen Regelmatig ins Leben gerufen - zu deutsch: von einträchtiger Zusammenarbeit profitieren alle. Kurz: Spar.

De spar bezeichnet im Holländischen eine Fichte, was das grüne Bäumchen-Logo der Firma erklärt. Dass "spar!" im Deutschen für die Aufforderung zum vernünftigen Umgang mit Geld steht, war ein ungewollter aber glücklicher Nebeneffekt.

Unfreiwillige aber eher unglückliche Nebeneffekte sollen die Taschencomputer der Marke BlackBerry haben, weshalb die französische Regierung ihren Beamten den Umgang mit ihnen verbietet. Amerikaner und Briten, quel horreur, sollen den elektronischen Datenverkehr der Geräte abhören können.

BlackBerrys gibt es seit 1999, und um ein Haar hätten sie nicht Brombeere (englisch blackberry), sondern Erdbeere ( strawberry) geheißen. Einen Mitarbeiter der kalifornischen Ideenfirma Lexikon Branding Inc., die sich darauf spezialisiert Namen für neue Produkte zu erfinden, erinnerten die klitzekleinen Tasten des Gerätes an die Samen einer Erdbeerfrucht.

Ein Linguist wandte jedoch ein, dass "straw" viel zu langweilig und langsam für so ein fixes Technowunder klang - und riet zum BlackBerry. Für die Pariser Luftfahrtmesse freilich wird das französische BlackBerry-Verbot nicht gelten. Wie sollten sonst die Vertreter der beiden Giganten Boeing und Airbus ihre Deals abschließen.

Übrigens hat auch die US-Firma eine deutsche Dimension: Der Vater von William Edward Boeing, der 1916 in Seattle die Pacific Aero Products Company gründete, hieß noch treudeutsch Wilhelm Böing mit einem Umlaut und war aus Deutschland eingewandert.

Sohn William kam übrigens eher zufällig zu den Flugmaschinen. Sein erstes Vermögen hatte er in der Holzindustrie und im Schiffbau gemacht. Ein seltener Name ist Böing übrigens nicht: Das Online-Telefonbuch der deutschen Telekom listet 974 Treffer - von Adele bis Werner.

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