Wortwörtlich - Koydls kleines Lexikon:Luxuriöse Bauernhütte

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Was die Bahn-Streiks mit englischen Seeleuten verbindet, woraus das Kunstwort Pakistan besteht und was die Hilton-Hotels mit einer Bauernkate gemein haben - der etymologische Wochenrückblick.

Wolfgang Koydl

Es gab eine Zeit, da galt Großbritannien als Mutterland des Streiks. Nirgends legten Arbeiter öfter, länger und aus nichtigerem Anlass die Arbeit nieder als hier. Irgendwie war das logisch, schließlich stammt das deutsche Wort für den Arbeitskampf, wie er nun bei der Bahn angedroht wird, aus dem Englischen. Bis etwa 1890 behielt man sogar die Englische Schreibweise strike bei, bevor das Wort nach und nach eingedeutscht wurde.

Den Strike im Sinne einer organisierten Arbeitsverweigerung erfanden offenbar englische Seeleute. Wenn sie die Segel einholten ( strike sails - wörtlich: die Segel einschlagen), dann hieß das, dass sie mit ihrer Heuer unzufrieden waren.

Die Urmutter von streiken ist das indo-germanische striccan, das im Englischen und im Deutschen einen gegensätzlichen Kurs einschlug: hier erhielt es die Bedeutung schlagen, dort beschreibt es eine ähnliche, doch sanftere Handbewegung: das Streichen oder Streicheln. (Nebenbei bemerkt: Das Russische hat für sein Verb für streiken - bastowat - eine besonders hübsche Anleihe genommen: beim italienischen Ausruf Basta!).

Auch wenn mit Sicherheit bis dahin nicht mehr gestreikt wird: Es werden keine Züge, sondern nur Autos über die Fehmarn-Brücke fahren, auf deren Bau sich Dänemark und Deutschland nun geeinigt haben. Fehmarn - das ist ein Wort, in dem die salzige Brise der Ostsee mitschwingt, das nach Dünen und nach Strandkörben klingt, nach dem ersten Schritt ins kühle Skandinavien eben.

"Land der Reinen"

Doch das Wort hat weder etwas mit dem Deutschen, noch mit Schwedisch oder Dänisch zu tun. Fehmarn ist eine rein slawische Schöpfung, und noch nicht mal eine besonders fantasievolle: v more bedeutet schlicht im Meer, und das war der Name, den slawische Siedler dem Ort gaben. Was sonst: Feh-marn ist schließlich eine Insel - meerumschlungen.

Eine halbe Welt von der Ostsee entfernt, versinkt Pakistan in einem Strudel aus Unruhen, Chaos und Gewalt. Da klingt es fast wie böser Spott, dass der Name des Landes auf Urdu eigentlich "Land der Reinen" bedeutet. Hier begegnen wir wieder einer jener pfiffigen Abkürzungen, die ein eigenständiges Wort ergeben - mit ein klein wenig Mogeln freilich.

Denn das von dem Nationalisten Choudary Rahmat Ali 1934 zum ersten Mal geprägte Kunstwort setzt sich zusammen aus den Namen der fünf nördlichen, und mehrheitlich muslimischen, Provinzen von Britisch-Indien: P - unjab, A - fghanische Provinzen, K - aschmir und S - indh, sowie der Endsilbe von Balutschis - tan. Das i fehlt, doch da manche Pakistanis großzügig Teile des I - ran dazuschlagen, stimmt das Puzzle wieder.

Der Anlass für das nächste Wort ist traurig: 25 Menschen kamen bei einer Explosion in einer Karaoke-Bar in China ums Leben. Aber der Name für den Sing-sang ist ein schönes Beispiel dafür, wie Worte zwischen den Welten hin- und herwandern. Kara bedeutet auf Japanisch leer, und oke ist der erste Teil des Wortes okesutora.

Nur mit viel Fantasie erkennt man dahinter das westliche Orchester, das von japanischen Ohren erlauscht und für japanische Zungen zurechtgeschliffen wurde. Karaoke ist mithin Musik ohne Orchester. Oder anders ausgedrückt: A capella.

Bauernkate auf einem Hügel

Mit Pauken und Trompeten hingegen kam das iPhone von Apple auf den Markt. Firmengründer Steve Jobs erwies sich besser als Unternehmer denn als Namensgeber: Als ihm beim besten Willen kein Name für seine Firma einfiel, wählte er seine Lieblingsfrucht. Im Nachhinein gefiel ihm, dass der Apfel natürlich klang und sich wohltuend von der kalten technischen Konkurrenz wie IBM, DEC oder Cincom abhob.

Ein iPhone dürfte sich wohl auch Paris Hilton nach der Entlassung aus dem Knast gekauft haben - um sich selbst für die harten Wochen zu belohnen. Nicht nur sie machte letzte Woche Schlagzeilen, sondern auch die Hotelkette, der sie Namen und Reichtum verdankt: Die Firma wurde für 26 Milliarden Dollar verkauft.

Hilton ist ein alter englischer Familienname, der erstmals 1132 bei einem Roger de Hilton verbürgt ist. Wahrscheinlich kam dieser Herr aus einer der fünf Städte dieses Namens, die es in England gibt. Ursprünglich war ein hil tun nicht mehr als eine Bauernkate auf einem Hügel. Es war also ein langer Weg bis zum Luxushotel mit Hunderten von Zimmern.

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