Wortwörtlich - Koydls kleines Lexikon:Egotrip ohne Ich-Bezug

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Wolfgang Koydl erklärt, warum das "i" bei einem internetfähigen Telefon passt, beim Hund von Paris Hilton jedoch einen Bedeutungswandel erfahren hat und Venezuelas Hugo Chávez kein iPräsident ist.

Für Fans hatte das quälend lange Warten vergangene Woche ein Ende: Das iPhone von Apple kam endlich auch auf den deutschen Markt. Es folgt dem iPod und den iTunes sowie dem - jedenfalls nach IT-Zeitmaßstäben - in grauer Vorzeit (1998!) eingeführten iMac.

Etymologisch gesehen ist das iPhone kein Ich-Handy. (Foto: Foto: AP)

Doch obwohl der Gebrauch der schicken Geräte für manche ein Egotrip ist, hat das Anfangs-i nichts mit dem englischen "I" für Ich zu tun. Im Gegensatz zu diesem Personalpronomen wird es ja auch kleingeschrieben.

Zu Beginn stand es schlicht für Internet - zu einer Zeit, als das World Wide Web noch keine Alltäglichkeit war. Wie jeder geniale Einfall, so hat sich mittlerweile dieses i verselbständigt und wird allen möglichen Begriffen vorangestellt, die als klein, handlich und cool gelten. So wurde Paris Hiltons Schoßhündchen kürzlich als iDog bezeichnet.

Hugo Chávez kann man nicht als iPräsidenten bezeichnen. Venezuelas Staatschef ist zu dick, ungeschlacht und rüpelhaft für niedliche Titulierungen. Vergangene Woche beschloss Spaniens König Juan Carlos, dass auf einen groben Klotz ein grober Keil gehört und verbot ihm den Mund.

Anhänger von Chávez freilich sehen in ihm einen mutigen und großherzigen Streiter für die Sache der Armen und Entrechteten - und der Vorname Hugo gäbe ihnen sogar recht. Er kommt vom germanischen Hug, was Herz, Geist und Temperament bedeutete. Hugos Land hingegen trägt einen putzigen Namen. Als der florentinische Seefahrer und Entdecker Amerigo Vespucci zum ersten Mal die Pfahlbauten der Eingeborenen im Maracaibo-See sah, erinnerten sie ihn an Venedig. Voller Rührung taufte er den Landstrich Venezuela - Venediglein.

Renitente Houlihans

Alles andere als rührselig verhielten sich italienische Fußball - Hooligans. Dem Wort zugrunde liegt ein Familienname, und man kann annehmen, dass diese ersten Hooligans keine netten Nachbarn waren. Eine Theorie führt zu einer im London des angehenden 19. Jahrhunderts lebenden irischen Familie Houlihan, die es so wild trieb, dass Komiker und Sänger in viktorianischen Music-Halls noch Jahrzehnte später Lacherfolge mit Sketches und Songs über sie erzielten.

Andere Sprach-Archäologen haben ein Lustspiel aus dem Jahre 1824 ("More Blunders Than One") entdeckt, in dem ein ständig betrunkener irischer Butler namens Larry Hoolagan eine tragende Rolle spielt.

Als gute irische Katholiken dürften freilich auch die renitenten Houlihans den Sonntag geheiligt haben. Den deutschen Einzelhandel bekümmert dieser heilige Tag nicht, weshalb die Kirche eine Klage androht. Doch Tag des Herrn heißt dieser Wochentag nur im Französischen oder Italienischen ( dimanche, domenica); im Deutschen wie in anderen germanischen Sprachen ist er heidnisch nach dem römischen Sonnengott benannt. Der Sonntag ist nichts anderes als die wörtliche Übersetzung des lateinischen dies solis.

Ähnlich liegen die Dinge, wenn wir schon dabei sind, bei den meisten anderen Wochentagen. Der Montag kommt vom dies lunae, nach der Mondgöttin der Römer. Indirekt lateinisch ist auch der Dienstag, von den Römern nach dem Kriegsgott Mars dies martis genannt. Bei den Germanen entsprach dem die Gottheit Tyr, die als Beschützer des Things galt - mithin altgermanischer Versammlungen. Christlicher Einfluss konnte sich nur beim Mittwoch durchsetzen - ansatzweise. Der mittlere Tag der Woche ist er nur nach christlich-jüdischer Zählung, wo er die Nummer vier ist. Nach deutscher Rechnung ist er der dritte Wochentag.

Im Englischen und im Holländischen hingegen wichen die alten Götter auch zur Wochenmitte nicht. Wednesday, bzw. woensdag gehen auf Göttervater Wotan zurück.

Der Donnerstag trägt den Namen von Donar, dem germanischen Gott mit dem Donnerkeil. Bei den Römern schwang dieses Instrument Göttervater Jupiter - und nach dem dies jovis sind denn auch jeudi (französisch), jueves (spanisch) oder giovedi (italienisch) benannt. Auch hinter dem Freitag verbirgt sich eine germanische Gottheit - vermutlich Freya, die Göttin der Liebe. Sie ist das Gegenstück zur römischen Venus, deren römischer dies veneris ebenfalls in romanischen Sprachen ( venerdi, vendredi) weiterlebt. Hinter den lateinischen Namen verbirgt sich freilich weniger Religion als Astronomie: Pate standen die nach diesen Gottheiten benannten Planeten.

Häuschen im Sumpf

Der einzige Wochentag, dessen Name zumindest alttestamentarischer Tradition entspringt, ist der Samstag. Er geht - auf dem Umweg über den griechischen sabbaton - auf den Shabbat (eigentlich Waschtag), den jüdischen heiligen Tag, zurück. Über den preußischen Sonnabend, der sich als Vorabend des Sonntags ohnehin von selbst erklärt, wollen wir als in München beheimatete Redaktion den Mantel des Schweigens hüllen.

Ein ähnliches Schweigen empfiehlt sich wohl auch für Belgien, das der Welt zu beweisen sucht, dass ein westlicher Industriestaat auch ohne Regierung auskommen kann. Das hat die Flamen nicht daran gehindert, ihre wallonischen Erbfeinde mit einem Parlamentsbeschluss über die Hauptstadt Brüssel zusätzlich zu reizen. Warum eine der hässlicheren und klimatisch wenig verwöhnten Hauptstädte Europas überhaupt zum Zankapfel werden kann, verstehen vielleicht nur Belgier. Langjährige Einwohner der regnerischen Euro-Metropole jedenfalls wird es nicht überraschen, was der Name ursprünglich be-deutete: bruoc sella war ein Häuschen im Sumpf. Ausgerechnet hier errichtete Gaugericus von Cambrai im siebten Jahrhundert eine Kapelle. Später wurde er heilig gesprochen, doch ob Brüssels Gründung ausschlaggebend war, ist ungewiss.

Nachrichten machte vergangene Woche die Firma Tchibo, die neben Reisen, Handys, Krediten, Kleidung, Korkenziehern und - ja, das auch - Kaffee, künftig Studiengänge verkaufen will. Das Unternehmen wurde 1949 in Hamburg gegründet und versandte zunächst das Luxusgut Kaffee mit der Post. Zwei Väter standen Pate, von denen einer - Max Herz - das Unternehmen bis zu seinem Tod 1965 führte, bevor es von seinem Sohn übernommen wurde. Den Namen freilich erhielt die Firma von dem zweiten Gründer - Carl Tchilling-Hiryan. An die erste Silbe seines ersten Nachnamens wurde -bo angeschraubt. Das stand ganz schlicht für Bohne.

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