Wolfgang Schäuble im Interview:"Wir machen den Hasspredigern Konkurrenz"

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Innenminister Wolfgang Schäuble spricht im sueddeutsche.de-Interview über die Islamkonferenz, seine Rolle als Versöhner, warum der Koordinierungsrat der Muslime nicht ganz ausreicht - und wie der geplante Islamunterricht an Schulen den Hasspredigern Konkurrenz machen soll.

A.Ramelsberger, H.J.Jakobs, T.Denkler

sueddeutsche.de: Zunehmend konvertieren Christen zum Islam. Und es sind auffallend viele Konvertiten in terroristische Anschläge verwickelt. Können Sie sich das erklären?

"Der Koordinierungsrat reicht eben nicht" - Wolfgang Schäuble schlägt einen größeren Zusammenschluss von Moschee-Vereinen vor. (Foto: Foto: ddp)

Schäuble: Es wäre ganz falsch, wenn man Konvertiten unter Generalverdacht stellt. Schon vor 20 Jahren hatten wir im Konrad-Adenauer-Haus einen Mitarbeiter, einen hochgebildeten Mann. Der kam nicht aus einem türkischen oder arabischen Hintergrund, sondern glaubte an den Islam. Er war einfach ein deutscher Muslim.

sueddeutsche.de: Nach dem Willen der Islam-Konferenz soll es möglichst bald Islam-Unterricht an staatlichen Schulen geben. Was soll diese Initiative schwungvoll nach vorne bringen?

Schäuble: Gemeinsam wollen staatliche Stellen und viele Muslime jetzt die Voraussetzungen für einen Bekenntnisunterricht im Sinne des Grundgesetzes schaffen. Anerkannte Religionsgemeinschaften müssen dabei die Partner sein. Sie könnten sich dann mit dem Staat über die Ausbildung und Arbeit der Islam-Lehrer an den Schulen verständigen.

sueddeutsche.de: Hilft der neu formierte Koordinierungsrat der Muslime dabei?

Schäuble: Das ist ein politischer Zweckverband, keine anerkannte Religionsgemeinschaft. Die haben gedacht, das reicht, aber es reicht eben nicht. Jetzt kennen sie die Regeln. Es müssen sich Menschen zur Religionsausübung zusammenschließen, zum Beispiel in einem Moschee-Verein. Es wäre vermutlich gescheit, das wie in der evangelischen Kirche von unten her zu formieren - zum Beispiel, in dem mehrere Moschee-Vereine sich organisieren.

sueddeutsche.de: Der Islam versteht sich als Lebensform. Ist das deutsche Religionsstaatsrecht überhaupt in der Lage, den Islam zu integrieren?

Schäuble: Sicher, der Islam ist keine Kirche. Unser Religionsrecht, das wir aus der Weimarer Verfassung übernommen haben, wollen wir nicht ändern. Es ist sicher durch die Erfahrung mit den christlichen Kirchen geprägt, aber andererseits ist die jüdische community auch integriert. Es gibt jüdischen Religionsunterricht an Schulen. Mit den Muslimen müssen wir nun eine entsprechende Form erarbeiten.

Fortsetzung auf der nächsten Seite: Warum sich Innenminister Schäuble für so etwas wie die Wasserwacht hält

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sueddeutsche.de: Was wird aus den Hasspredigern in den Moscheen?

Schäuble: Wir gehen gegen Hassprediger mit allen Mitteln vor. Mit islamischem Religionsunterricht machen wir ihnen sozusagen Konkurrenz. Denn, wenn wir die Kinder zum Religionsunterricht an staatlichen Schulen schicken, führt das zu einer Veränderung der Religionsausübung in den Moscheen. Wir haben jetzt schon erreicht, dass die Imame, die uns die Türkei schickt, vorher ausgebildet werden und einen Sprachkurs gemacht haben.

sueddeutsche.de: Wie lief die bisherige Zusammenarbeit in der Islam-Konferenz?

Schäuble: Wir haben vielfältige, gute Erfahrungen gemacht - zum Beispiel in der Debatte rund um die Darstellung von Aleviten in einer "Tatort"-Folge. Die Arbeit ist sicherlich anstrengend. Ich begrüße das, wenn vor einer Islam-Konferenz die Zahl der Wortmeldungen wieder sprunghaft ansteigt - das zeigt, das Ding lebt. Wir haben jede Menge Konflikte, aber die Zusammenarbeit funktioniert - übrigens auch zwischen den Verbänden und den unabhängigen Vertretern, was uns sehr wichtig ist.

sueddeutsche.de: Der Fernsehproduzent Walid Nakschbandi, der auch als Unabhängiger mitmachte, hat gerade hingeworfen. Der Grund: Er komme gegen die konservativen Islamverbände nicht mehr an. Werden die modernen Muslime bei der Islamkonferenz untergebuttert?

Schäuble: Die müssen sich dort natürlich behaupten, und das tun sie auch. Ich weiß nicht, was Herrn Nakschbandi zu diesem Schritt bewegt hat. Aber er gibt seine Arbeit in der Islamkonferenz nicht ganz auf, sondern bleibt in einer Arbeitsgruppe.

sueddeutsche.de: Laufen Ihnen jetzt die modernen Muslime davon?

Schäuble: Nein. Wir haben bereits Ersatz gefunden, jemanden aus der Praxis, der schon lange erfolgreich in Sachen Integration tätig ist: Herr Nihat Sorgec ist seit Bestehen der Islamkonferenz in der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Medien tätig. Als Geschäftsführer eines Bildungswerks in Kreuzberg hat er große Erfahrung mit den Kernthemen Bildung und Integration.

sueddeutsche.de: Gelegentlich ist Ihnen die Rolle eines "Versöhners" zwischen Christen und Muslimen zugeschrieben worden. Sehen Sie Ihre Rolle auch so?

Schäuble: Die meisten Muslime glauben inzwischen, was die Moderatorin bei einem Fest der deutschen Wasserrettung gesagt hat: Der Minister sei doch auch nichts anderes als so eine Wasserwacht - er rettet und schützt. Ist doch ein schönes Bild, oder?

Lesen Sie die ausführliche Version des Interviews ab Donnerstagmorgen, 7.00 Uhr, hier auf sueddeutsche.de.

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