Wolffsohn lehrt weiter:Folter-Äußerung bleibt ohne rechtliche Folgen

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Verteidigungsminister Struck sieht "keine juristischen Möglichkeiten" gegen den Professor - der Historiker bleibt an der Münchner Bundeswehr-Hochschule.

Von Kurt Kister

Der Historiker Michael Wolffsohn, der an der Münchner Universität der Bundeswehr als Professor lehrt, wird dies auch weiterhin tun. Wolffsohn war in die Kritik geraten, weil er in einem Fernseh-Interview gesagt hatte: "Als eines der Mittel im Kampf gegen den Terrorismus halte ich Folter oder die Androhung von Folter für legitim."

Am Dienstag hatte Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) den Professor zu einem Gespräch nach Berlin einbestellt. Die Wahrnehmung des Gesprächsverlaufs ist auf beiden Seiten unterschiedlich. Ein Sprecher Strucks sagte, der Minister habe klar gemacht, dass Wolffsohns Äußerungen nicht akzeptabel seien. Der Professor habe seine Äußerungen bedauert.

"Fühle mich rehabilitiert."

Wolffsohn seinerseits sagte der Süddeutschen Zeitung: "Ich fühle mich rehabilitiert." Das Gespräch sei "in angenehmer Atmosphäre" verlaufen. Er habe erklärt, dass Folter nicht legal sei, er aber Überlegungen, ob Folter ein Mittel zum Schutz vor Terroranschlägen sein dürfe, als legitim - also als vertretbar - ansehe.

Im Verteidigungsministerium wurde vor dem Gespräch geprüft, ob man gegen Wolffsohn dienst- oder disziplinarrechtliche Schritte einleiten kann. Minister Struck begründete seine Empörung in Berlin mit dem Satz, Wolffsohn habe dem Ansehen der Bundeswehr geschadet.

Eine solche Bewertung durch den Minister würde im Falle eines Generals unweigerlich dazu führen, dass er in den einstweiligen Ruhestand versetzt werde. Bei Soldaten im Rang vom Brigadegeneral aufwärts kann dies der Minister ohne Begründung tun. Zuletzt geschah dies im Falle des ehemaligen KSK-Kommandeurs Reinhard Günzel, der die umstrittenen Thesen des damaligen CDU-Abgeordneten Martin Hohmann unterstützt hatte.

Gespräch mit Anwaltsbeistand

Bei Beamten wie etwa dem Professor Wolffsohn ist dies nicht möglich, obwohl es in der Führungsetage des Ministeriums hieß, wäre Wolffsohn General, hätte man ihn gefeuert. Wolffsohn hatte zu dem Gespräch vorsichtshalber seinen Anwalt mitgebracht.

Während im Verteidigungsministerium die Zusammenkunft als eine Art öffentliche Verwarnung für Wolffsohn verstanden wird, sieht Wolffsohn selbst den Vorgang als ein klärendes Gespräch zwischen ihm und dem Minister. Eine von der politischen Spitze erwartete Entschuldigung gab Wolffsohn seiner Presseerklärung nach nicht ab.

Struck äußerte öffentlich einerseits Verständnis dafür, dass Wolffsohn sich bei seinen Gedanken auf die Freiheit von Forschung und Lehre sowie die Meinungsfreiheit berufe. Andererseits machte Struck klar, wie schädlich für das Ansehen der Bundeswehr er es halte, dass ein in der Offizierausbildung tätiger Hochschullehrer öffentlich über die Legitimität von Folter nachdenke. Wolffsohn trug solchen Bedenken mit dem Satz Rechnung, für die Soldaten der Bundeswehr gelte ausnahmslos das Folterverbot. Wolffsohn verwies allerdings auch nach dem Gespräch darauf, dass andere, darunter Oskar Lafontaine, in Ausnahmefällen ebenfalls die Legitimität der Anwendung und Androhung von Folter befürwortet hätten.

© SZ vom 19.5.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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