Wohnungseinbrüche:Das Risiko

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Wer Langfinger zu Besuch hatte, sollte umgehend Anzeige bei der Polizei erstatten. Nur dann zahlt die Versicherung. (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Nur wenig verstört Menschen mehr als das Gefühl, selbst in den eigenen vier Wänden keinen Schutz vor Kriminellen zu finden. Auch deshalb versetzen die neuen Verbrechenszahlen die Politik in Unruhe.

Von Tanjev Schultz

Drei alltägliche Polizeimeldungen von dieser Woche: In Schwerte brechen unbekannte Täter die Tür einer Erdgeschosswohnung auf und stehlen Parfüm. Auf dem Land, in einem Dorf bei Steinfurt, erbeuten Einbrecher Schmuck und Geld aus einem Einfamilienhaus. In Bonn nimmt die Polizei einen 33-Jährigen fest, der in eine Wohnung eingestiegen war. Ein Zeuge hatte beobachtet, wie der Mann über Mülltonnen zu einem Fenster kletterte. So viel Glück haben die Ermittler selten. Die Aufklärungsquote bei Wohnungseinbrüchen liegt bei nur 15,9 Prozent. Und das bei steigenden Fallzahlen. Er betrachte diese Entwicklung "mit Sorge", sagt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), als er am Mittwoch die Kriminalstatistik vorstellt.

Die Polizei hat 2014 fast 6,1 Millionen Straftaten registriert. Erstmals seit dem Jahr 2009 wurde damit wieder die Sechs-Millionen-Grenze überschritten. Aufgeklärt werden konnten 54,9 Prozent aller Fälle, das ist etwas mehr als im Jahr davor.

Mehr Mord und Totschlag, allerdings weniger schwere Körperverletzungen

Bei einigen Delikten gibt es leichte Rückgänge, beispielsweise bei gefährlicher und schwerer Körperverletzung, Sachbeschädigung und Autodiebstahl. Einen leichten Anstieg verzeichnen die Behörden dagegen bei Einbrüchen, Drogendelikten und bei Betrug. Vor allem der Betrug mit Kreditkarten ist gestiegen (um zehn Prozent), noch stärker sogar der Betrug mit Kontoeröffnungen und Überweisungen (um fast 34 Prozent). Zur insgesamt gestiegenen Kriminalität haben außerdem Straftaten gegen das Aufenthalts- und Asylverfahrensgesetz beigetragen. Das hängt mit der höheren Zahl von Flüchtlingen zusammen. Meldet sich ein Asylbewerber nicht, wie vom Gesetz verlangt, bei den Behörden, taucht das in der Statistik auf. Nicht hinter jeder Zahl steckt eine Gefährdung der Bürger.

Bei Gewalttaten gibt es keinen klaren Trend: 2014 waren es 2179 Fälle von Mord und Totschlag, 57 mehr als im Jahr davor. Dafür sank die Zahl gefährlicher und schwerer Körperverletzungen um fast 2000 auf 125 752. Die Gewalttaten von rechts aber sind stark gestiegen, um 22,9 Prozent auf 1029 (siehe Bericht unten).

Die Statistiker haben 152 123 Fälle von "Wohnungseinbruchdiebstahl" gezählt. Das sind zwar nur 1,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Doch seit 2008 steigt die Zahl jedes Jahr. Besonders betroffen sind die Großstädte und Regionen entlang der Autobahnen. Vermehrt, so Minister de Maizière, könne man organisierte Strukturen, "sogenannte Vorfeld-OK", beobachten. Vorfeld-OK? Gemeint sind Banden, die noch nicht so feste Strukturen haben, wie sie in der organisierten Kriminalität (OK) üblich sind.

Bei den Einbrüchen habe man es "fast immer" mit überregional agierenden Banden zu tun, sagt der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Roger Lewentz (SPD). Darum wolle man Ermittlergruppen bilden, die länder- und staatenübergreifend arbeiten. Dass vor allem ausländische Banden für die Einbrüche verantwortlich sind, wie oft unterstellt wird, ist allerdings nicht erwiesen. Über die meisten Täter weiß die Polizei schlicht nichts. Bei Mord und Totschlag findet sie dagegen fast immer die Täter, die Aufklärungsquote liegt bei 96,5 Prozent. Für das Sicherheitsgefühl der Bürger mindestens genauso wichtig, wenn nicht wichtiger, ist jedoch die alltägliche Kriminalität: die geklaute Brieftasche beim Stadtbummel oder die aufgebrochene Terrassentür, wenn man aus dem Urlaub zurückkehrt.

Um 2,5 Prozent gestiegen ist die Zahl der Fälle in der "Straßenkriminalität"; das sind Delikte wie Handtaschenraub, die auf öffentlichen Wegen und Plätzen verübt werden. Für die meisten Menschen noch erschreckender ist es allerdings, wenn sie sich nicht mal in den eigenen vier Wänden sicher fühlen. Der Weiße Ring, der die Interessen von Kriminalitätsopfern vertritt, macht sich deshalb dafür stark, dass auch der Wohnungseinbruch in das Opferentschädigungsgesetz aufgenommen wird. Betroffene könnten dann Geld vom Staat bekommen. Viele Einbruchsopfer würden "seelische Belastungen mit Krankheitswert" erleiden, argumentiert der Weiße Ring. Bisher hilft das Entschädigungsgesetz nur Gewaltopfern.

Gesetzesreformen schweben auch dem bayerischen Justizminister Winfried Bausback vor. Ihm geht es um ein schärferes Strafrecht: Gerichte sollen keine Möglichkeit mehr haben, einen Wohnungseinbruch als "minder schweren Fall" zu werten. Paragraf 244 des Strafgesetzbuchs sieht in solchen Fällen eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. Sonst sind sechs Monate und bis zu zehn Jahre vorgesehen. Bausback sagt: "Einbrüche sind nie minder schwere Fälle!"

Allerdings kommen viele Opfer noch durchaus glimpflich davon. Denn laut der Kriminalstatistik werden 41,5 Prozent aller Einbrüche von den Tätern abgebrochen, zum Beispiel weil sie gestört werden oder eine Tür nicht öffnen können. Die Polizei sieht darin einen Erfolg ihrer Präventionsarbeit. Viele Bürger hätten mittlerweile in den Einbruchschutz investiert.

Einbrecher lassen sich leicht beeindrucken - zum Beispiel von geschlossenen Fenstern

Einbrecher lassen sich von Alarmanlagen oder besonders gesicherten Türen und Fenstern tatsächlich beeindrucken. Für versierte Profis ist das alles zwar kein Hindernis, aber die meisten Täter sind keine Meisterdiebe. Ihnen ist es wichtig, dass sie schnell in eine Wohnung gelangen. Deshalb kann es schon helfen, alle Fenster gut zu schließen. Häufig brechen die Täter tagsüber ein, während die Bewohner bei der Arbeit oder in den Ferien sind.

Mit Aufklärungskampagnen versucht die Polizei, die Bürger für das Thema zu sensibilisieren. Aufmerksame Nachbarn und technischer Einbruchschutz sollen dazu beitragen, die Zahl der (erfolgreichen) Einbrüche zu senken. Dass dies möglich ist, hat die Entwicklung in den Neunzigerjahren gezeigt. Verglichen mit dem Jahr 1993 ist die Situation heute gar nicht so dramatisch, wie es eine oft verbreitete Hysterie bei Kriminalitätsthemen suggeriert. Damals registrierten die Behörden 227 090 Fälle von "Wohnungseinbruchdiebstahl" - fast 75 000 mehr als 2014.

Als zahlreiche Mieter und Hausbesitzer, aufgeschreckt durch die Statistik oder leidvolle Erfahrungen, in den Neunzigern den Schutz für die Wohnräume verstärkten, hatte das durchaus Erfolg. Nun könnte die nächste Investitionsoffensive kommen. Die große Koalition will die finanziellen Hilfen für den Einbau sicherer Türen und Fenster ausweiten.

© SZ vom 07.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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