Als noch kaum jemand von Osama bin Laden sprach, war er der meistgesuchte Mann der Welt. Doch weder ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar noch die Jagd durch eine vieltausendköpfige Nato-Truppe haben bislang zu seiner Ergreifung geführt.
In Den Haag beim Kriegsverbrecher-Tribunal warten seine Ankläger mit wachsender Frustration. Solange Karadzic in Freiheit ist, bleiben die blutigsten Taten des Bosnien-Krieges ungesühnt.
So schwer kann es eigentlich nicht sein
Und mit jedem Tag dieser so missglückten Suche bekommen Verschwörungstheorien neue Nahrung.
So schwer kann es eigentlich nicht sein, diesen markanten Kopf zu finden. In der ersten Zeit nach dem in Dayton ausgehandelten Frieden bewegte er sich sogar noch offen in seiner Hochburg Pale, in Amt und Würden als Präsident der bosnischen Serbenrepublik.
Damals war die Haager Anklage gegen ihn und seinen ebenfalls noch flüchtigen Armeechef Ratko Mladic wegen des Massakers von Srebrenica mit 7000 Toten und der Belagerung Sarajewos längst fertig. Doch niemand machte Anstalten, den internationalen Haftbefehl zu vollstrecken.
1996 handelte der amerikanische Balkan-Unterhändler Richard Holbrooke schließlich mit Karadzic dessen Verzicht auf alle Ämter in der Serbenrepublik aus - und der Gesuchte tauchte ab.
Um dieses Abkommen mit Holbrooke ranken sich seither viele Vermutungen, was nicht zuletzt aus dem Umfeld Karadzics befördert wird. So behauptet seine Frau, Washington habe ihrem Radovan für seinen Rückzug die Freiheit versprochen.
Pikantes zur westlichen Balkan-Strategie
Und Karadzic selbst droht aus dem Verborgenen, im Falle eines Prozesses werde er Pikantes zur westlichen Balkan-Strategie zu enthüllen haben.
Grundsätzlich entsprechen solche Geschichten einem beliebten balkanischen Muster. In diesem Fall jedoch lassen sich dafür auch verwirrend viele Indizien finden.
Denn die Suche nach Karadzic war bislang nicht nur erfolglos. Sie wurde vor allem skandalös nachlässig und bei einzelnen Zugriffsversuchen äußerst stümperhaft ausgeführt.
In Sarajewo wie auch beim Haager Tribunal finden sich hochrangige Beobachter, die bei Zusicherung ihrer Anonymität ätzende Kritik üben: "Wenn man ihn nicht fangen will, muss man genau so vorgehen wie in den letzten Jahren", heißt es.
Die Spekulationen über seinen Aufenthaltsort reichten vom Berg Athos bis nach Russland. Vieles jedoch spricht dafür, dass er das Land nicht verlassen hat und sich im Osten Bosniens versteckt - unterstützt von einem Netzwerk, das einer politisch-klerikalen-kriminellen Vereinigung gleicht.