Wilders und sein Anti-Koran-Film:15 Minuten Hass

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Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders hat einen hetzerischen Kurzfilm über Islamismus veröffentlicht. Er klärt nicht auf - sondern setzt dem Terrorismus die Hetze entgegen, die weiteren Terror provozieren wird.

Gökalp Babayigit

Der Mann hat den Koran mit Adolf Hitlers "Mein Kampf" verglichen. Er hat von Muslimen gefordert, die Hälfte aus ihrer heiligen Schrift herauszureißen, wenn sie weiter in den Niederlanden leben wollten.

Unabhängig von der Tatsache, dass es für jeden sehr schwierig sein dürfte, einen sachlichen Dokumentarfilm über den radikalen Islam zu drehen: Geert Wilders ist sicherlich nicht der geeignete Mann dafür. Er ist ein Rechtspopulist, ein auf Knalleffekte versessener niederländischer Politiker, ein Einpeitscher der nationalistischen Partei für die Freiheit (PVV).

Das wusste man schon, bevor man Wilders Film jetzt im Internet zu sehen bekam. "Fitna" (Zwietracht) heißt das Werk, eine schlimme Collage mit garantierter Hetzwirkung.

Selten ist ein Film vor der Veröffentlichung in den Niederlanden so heiß diskutiert worden wie der als "Anti-Koran-Film" bezeichnete Streifen über den Islamismus. Allein die Ankündigung versetzte die niederländische Regierung in Panik. Ministerpräsident Jan Peter Balkenende schaltete sich ein, aus Angst vor Anschlägen wurde die Terrorwarnstufe angehoben und der Regierungs- und Parlamentssitz in Den Haag abgeriegelt.

Alles nur wegen 15 Minuten zusammengeschnittener Videofetzen, die nur im Internet veröffentlicht werden konnten? Die Fernsehsender hatten die Ausstrahlung verweigert.

Die Warnung, die dem Machwerk vorausgeht, ist wörtlich zu nehmen: "Fitna" enthält tatsächlich erschütternde Bilder und Aussagen, bei denen man am Ende nicht weiß, was schlimmer ist: die abgetrennten Köpfe oder die hasserfüllten Predigten, die von Islamisten mit sich überschlagender Stimme vorgetragen (und auf Englisch untertitelt) werden. Verfolgt man den Film bis zum Ende, verlieren die Aufnahmen von den Anschlägen in New York und Madrid zu Anfang beinahe ihre Drastik.

Ähnlichkeit zu doktrinärem Propagandamaterial

Der Film beginnt mit der Aufnahme einer Hand, die von oben betrachtet die weißen Seiten des Koran aufblättert. Ein Vers aus der achten Sure wird auf Arabisch vorgetragen und auf Englisch übersetzt, ehe die Macht der Bilder durchschlägt. Dieses Spiel wiederholt sich einige Male - mit wechselnden Versen und wechselnden Bildern: die monströsen Attentate von al-Qaida, verkohlte Leichen, Hinrichtungen, ein Interview mit dem ermordeten Theo van Gogh, hetzerische Zeitungsschlagzeilen, blutende Kinder und immer und immer wieder antiwestliche, antisemitische und antichristliche Hasspredigten.

So schockierend der Hass offenbart wird, der unter fanatischen Islamisten grassiert, so suggestiv ist die Dramaturgie in Wilders' Film. In unseren Ohren fraglos befremdlich klingende Verse aus dem Koran werden in dem Zusammenschnitt zu einer Art Legitimation für die Taten und Aussagen der radikalen Islamisten.

Seht her, so die Kernaussage, der Koran ist die Anleitung für all diese Verbrechen, der Quell für all diese Gedanken. Die Ähnlichkeit zu doktrinärem Propagandamaterial ist frappierend, die ganze Aufmachung des Films, der Zusammenschnitt, die musikalische Unterlegung der Bilder (das getragene Stück "Ases Tod" aus der ersten Peer-Gynt-Suite) erinnern daran.

Geert Wilders besorgt das Geschäft des Osama bin Laden. Dem blutigen Terrorismus des Arabers setzt er die Hetze eines europäischen Scharfmachers entgegen, die neuen Terror provozieren wird.

Zeichnet man Wilders' Karriere in der niederländischen Politik nach, sind die Aussagen des Films wenig überraschend. Der Abgeordnete der Zweiten Kammer ist seit Jahren bekannt für seine ablehnende, ja feindlich gesinnte Haltung gegenüber dem Islam, dem EU-Beitritt der Türkei und den seiner Ansicht nach viel zu liberalen Einwanderungsrichtlinien seines Landes.

In Europa sorgte Wilders für Aufsehen, als er in den Niederlanden die Kampagne gegen die EU-Verfassung leitete und das Nein in der Volksabstimmung als Erfolg feierte. Den Koran wollte er verbieten lassen.

Dass dieser Biedermann ein Brandstifter ist, der kein Miteinander will, der es sogar bekämpft, dieser Aussage würden selbst die größten Verfechter von Meinungsfreiheit nicht widersprechen. Am Ende seines Films treibt er das Spiel mit der Angst auf die Spitze: "Die Niederlande in der Zukunft?" steht da - und zu sehen sind Bilder von angeblich Schwulen kurz vor ihrer Hinrichtung, von blutenden Kindern und einem abgetrennten Frauenkopf.

Zu guter Letzt verschriftlicht der Autor noch mal seine Botschaft. Wie in einem Abspann läuft durchs Bild: "Die Regierung besteht darauf, dass Sie den Islam respektieren. Doch der Islam respektiert Sie nicht. 1945 wurde der Nazismus besiegt, 1989 der Kommunismus. Jetzt muss die islamische Ideologie besiegt werden. Stoppen Sie die Islamisierung. Verteidigen Sie unsere Freiheit."

Doch die weiterführende, viel wichtigere Frage ist eine andere: Ist der Film ein wertvoller Beitrag in der laufenden Debatte? Vermittelt der Film neue Gedanken - oder sogar Lösungsvorschläge für dieses zweifelsohne große Problem dieser Zeit, den Umgang mit dem Islam? Enthüllt er eine neue Dimension der antiwestlichen Stimmung in Kreisen radikaler Islamisten?

Nein, all das leistet der Film nicht. Er heizt nur die Debatte an. Er macht Geert Wilders im medialen Spiel bekannter.

"Stop Islamisation" - so lautet in dem Streifen der Lösungsvorschlag für die gewaltigen Probleme, die nicht nur in den Niederlanden mit den Islamisten existieren. Doch wirklich bedenklich ist die unterschwellige Botschaft des Films: "Seht her, was Islamisten denken und tun - sie lassen uns keine Wahl", das will Wilders sagen.

Hätte er doch nur eine Minute seines Films auf die Frage verwendet, wie man die Radikalisierung des Islam wirksam stoppen könne. Sein Angst schürender, perfide zusammengeschnittener und grenzenlos pauschalisierender Film ("Der Islam will die westliche Zivilisation zerstören") hätte mehr Beachtung verdient - und nicht nur Verachtung.

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