Weltrechtsprinzip:Mutmaßlicher Folterer verhaftet

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Das Bundeskriminalamt nimmt in Hessen einen syrischen Arzt fest, der in Homs Häftlinge gequält haben soll. In Koblenz stehen bereits zwei ehemalige Geheimdienstmitarbeiter aus Syrien vor Gericht.

Von Lena Kampf, Berlin

In Deutschland ist ein weiterer mutmaßlicher Folterer aus Syrien festgenommen worden. Am Freitagabend haben Beamte des Bundeskriminalamts Alaa M. in seinem Wohnort in Hessen abgeholt. Alaa M. wohnt seit 2015 in Deutschland und arbeitete bis zu seiner Festnahme als Orthopäde in einem Krankenhaus eines hessischen Kurorts nahe Gießen. Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen ihn wegen Begehung eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit sowie der gefährlichen Körperverletzung.

Alaa M. soll als Arzt im Gefängnis des syrischen Militärischen Geheimdienstes in Homs tätig gewesen sein und dort zumindest in zwei Fällen einen Inhaftierten gefoltert haben. Unter anderem einen jungen Mann A. aus Baba Amr, dessen Tod nun Grundlage des Haftbefehls ist. A. soll im Herbst 2011 nach einer Demonstration inhaftiert worden sein und nach einer "Foltersitzung" einen epileptischen Anfall erlitten haben. Anstatt dem jungen Mann zu helfen, hat Alaa M. ihn laut Bundesanwaltschaft mit einem Plastikrohr geschlagen und getreten, bis dieser das Bewusstsein verlor und von Wärtern weggetragen wurde. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtet, dass neben anderen ehemals Inhaftierten auch zwei Kollegen aus Homs Alaa M. der Folter beschuldigt haben. Sein Verteidiger hatte die Vorwürfe gegenüber dem Spiegel bestritten.

"Es gibt noch viele wie Alaa M, aber wir werden einen nach dem anderen kriegen", sagt Anwar Al-Bunni. Der Rechtsanwalt aus Syrien ist selbst vor dem Assad-Regime nach Berlin geflüchtet. Hier organisiert er die Suche nach syrischen Folterern und Kriegsverbrechern, die wie er in Europa leben. Er suchte nach einem Hinweis auf die mutmaßlichen Taten Alaa M.s nach Zeugen, sammelte die Aussagen und andere Beweise und legte sie dem Generalbundesanwalt in Karlsruhe vor. Darunter ist ein Foto, das die Leiche des Folteropfers A. zeigen soll. "Man hat ihm in den Kopf gebohrt", sagt Al-Bunni. Wann und wie diese Verletzungen A. zugefügt worden sind, ist noch Gegenstand der Ermittlungen.

Alaa M. ist nicht der erste mutmaßliche syrische Folterer, den der Generalbundesanwalt in Deutschland festnimmt. Seit Ende April dieses Jahres müssen sich zwei andere ehemalige Geheimdienstmitarbeiter aus Syrien in Koblenz vor Gericht verantworten, ihnen werden unter anderem Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Beide waren in Deutschland von Opfern wiedererkannt worden. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ist nach dem sogenannten Weltrechtsprinzip verantwortlich für die Verfolgung von Kriegsverbrechen, auch wenn diese weder in Deutschland begangen wurden, noch Opfer und Täter Deutsche sind.

© SZ vom 23.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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