Weihnachtsgrüße aus der Heimat:Ein Baum für Benedikt

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Benedikt XVI. feiert Weihnachten mit einer Blautanne aus dem Bayerischen Wald. Ein alter Freund hat sie auf dem Autodach in die Heilige Stadt gebracht - seit 25 Jahren versorgt Thaddäus Joseph Kühnel den bayerischen Papst mit Dingen aus der Heimat.

Stefan Ulrich

Er wirkt ein wenig, als komme er aus einer anderen Welt, dieser schwarze Mercedes mit den Christbäumen auf dem Dach, der sich da durch den römischen Nachmittagsverkehr schlängelt. Tatsächlich sitzt am Steuer der Weihnachtsmann des Papstes.

Er lenkt die Limousine behutsam an den Kolonnaden des Petersplatzes entlang zu einem mit Eisengattern gesicherten Einlass. Die Schweizergardisten salutieren, und der geheimnisvolle dunkle Wagen fährt ein in den Kirchenstaat. Er umrundet die Apsis des Petersdoms, gleitet durch den Cortile di San Damaso und kommt in einem Hof beim Apostolischen Palast zum Stehen.

Dort wartet bereits Georg Gänswein, der Privatsekretär des Papstes. Während sich die Abenddämmerung über den Kirchenstaat senkt, heben die beiden drei Blautannen aus dem Bayerischen Wald vom Wagendach und schleppen sie zu einem kleinen Aufzug, der hinauf ins Appartamento - in die Wohnung des Pontifex - führt. Dann laden sie all die bayerischen Köstlichkeiten für Benedikt XVI. aus dem Kofferraum, die Stollen und Früchtebrote, Lebkuchen und Plätzchen, und auch duftende Bienenwachskerzen. Wenn sich alle Welt beschenkt, will schließlich auch ein Papst bedacht sein.

Am Abend darauf sitzt Thaddäus Joseph Kühnel, der Weihnachtsmann, mit dem Papst auf der Couch in dessen Wohnung. Endlich können sie in aller Ruhe "ratschen", wie Kühnel sagt, über Gott und die Welt plaudern, und über die Zeiten, als der Papst noch Kardinal war und zum Abendessen in die Lokale der Altstadt ausgehen konnte.

"Das ist vorbei", sinniert Kühnel später bei einem Glas Rosso di Montalcino in einer Bar beim Petersplatz. "Der Papst ist ja auch ein Gefangener im Vatikan." Dennoch sei Benedikt fröhlich gewesen. "Wir haben viel miteinander gelacht." So habe sich der Papst über Medienberichte amüsiert, der Vatikan wolle eine Profifußball-Mannschaft aufbauen. Eine Ente zu Weihnachten.

Lieferant der bayerischen Dinge

"Es ist schon beeindruckend, mit dem Papst auf dem Sofa zu sitzen", sagt Kühnel. "Doch aufgeregt war ich überhaupt nicht." Schließlich gehört der diskrete Herr im dunklen Dreiteiler zu den engsten Freunden des Pontifex.

Der Direktor der Münchner Privatbank Hauck und Aufhäuser lernte Joseph Ratzinger 1978 im Kloster Bad Adelholzen kennen. Als der Kardinal vier Jahre später sein Bayern verlassen musste, um an die Kurie zu wechseln, versprach Kühnel: "Ich werde Sie in Rom mit den bayerischen Dingen versorgen."

Er hielt Wort. Seit 25 Jahren fährt er mehrmals im Jahr von der Isar an den Tiber, um dem Freund, je nach Jahreszeit, Osterlämmer, Adventskränze oder eben Christbäume zu bringen. Früher packte Kühnel auch ein paar Träger Adelholzener Fruchtnektar und Andechser Bier in den Kofferraum.

"Aber das hab' ich eingestellt, das ist mir zu schwer geworden", sagt der 61-Jährige. Dafür brachte er dem Oberhirten in Rom nun ein geschnitztes Schaf vom Altöttinger Christkindlmarkt. "Der Heilige Vater hat das Geschenk sofort ausgepackt", erzählt er. "Er kann sich wahnsinnig über solche kleinen Dinge freuen."

Der Papst, der begeistert sein Weihnachtspackerl aufmacht, das passt zum neuen, sanften Bild des Joseph Ratzinger. Doch was ist mit dem gestrengen Kurienkardinal, den die Welt früher kannte? Hat das Amt den Menschen verwandelt? Kühnel nippt an seinem Wein, überlegt. "Das glaube ich nicht. Ich habe ihn schon immer gütig und bescheiden erlebt. Nun sehen ihn auf einmal auch seine Kritiker so", meint der Banker mit einer Spur von Bitterkeit.

Gelegentliche Hänseleien

Schließlich wurde er früher oft gehänselt wegen seiner Freundschaft mit Ratzinger, dem er bei Heimaturlauben auch stets als Chauffeur diente. "Was wollen Sie denn mit dem da, der ist doch ein Auslaufmodell", spotteten viele. Kühnel ließ sich nicht beirren. Heute erinnert er sich an eine alte Ordensschwester, die ihn vor vielen Jahren bat: "Halten Sie dem Kardinal die Treue. Der wird noch ein ganz Großer."

Nun ist der Freund auf einmal Papst - und Kühnel kann sich vor neuen Freunden kaum retten. Aus ganz Deutschland riefen in den vergangenen Tagen Menschen an, die bei seiner Weihnachtsfahrt dabei sein wollten; und in seiner Bank in München wurden Dutzende Päckchen abgegeben.

"Für seine Heiligkeit Papst Benedikt - durch Herrn Kühnel", hatten wildfremde Menschen darauf geschrieben. Doch der Bote aus Bayern nahm nur Geschenke von Leuten mit, die Joseph Ratzinger schon als Kardinal bedacht hatten. Schließlich ist er kein Spediteur - sondern der Weihnachtsmann des Papstes.

© SZ vom 23.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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